Doppelt teilt besser aus (The Adventurer)
So müde und ausgelaugt ich auch war, wir entschieden erst einmal weiter nach unten zu gehen. Das war mit Sicherheit nicht unsere beste Idee, aber damit glänzten wir in letzter Zeit sowieso eher weniger. Also was machte da eine weitere, nicht besonders durchdachte Entscheidung noch aus? Ich – wir alle – sollten ziemlich schnell darüber belehrt werden, dass wir eben doch erst nachdenken sollten, bevor wir etwas taten. Sehr gut nachdenken sogar! Ihr werdet schnell feststellen, dass das an diesem Tag nicht die einzige nicht durchdachte Entscheidung war, die einige von uns fast den Kopf kostete.
Die Treppen, die nach unten führten, waren aus dunklem Stein, genauso wie das restliche Gemäuer und machten das Innere des Turms noch kälter und finsterer, als es ohnehin schon war. Mit einem kleinen Feuerchen in meiner Hand leuchtete ich dem Rest meiner Gruppe den Weg nach unten und wir fanden uns in einem kreisrunden Raum wieder, geschlossene Türen überall in den Wänden. Auf dem Boden vor uns lagen Leichen, keine von ihnen schien durch äußere Einwirkungen gestorben zu sein, doch allesamt waren sie recht frisch. Was auch immer hier passiert war, es war erst kürzlich geschehen. Ein wenig ratlos sahen wir uns in dem Raum um, als plötzlich das Knirschen und Krachen einer der Türen erklang und sich direkt vor uns die schwere Holztür öffnete. Heraus trat eine Gestalt in schwerer Rüstung, langes schwarzes Haar umrahmte ein blasses, engelsgleiches Gesicht und spitze Ohren kamen zum Vorschein, als die Gestalt mit erhobenen Waffen aber in ruhiger Haltung um uns herum stolzierte. Da ich es für das beste hielt, unsere Anwesenheit so gut wie möglich zu verschleiern, nahm ich meinen Verbündeten das Licht, wodurch Malcer und Felicia im Dunkeln standen, ohne die Fähigkeit zu sehen, was da vor sich ging. Ich selbst hatte mich in eine Fledermaus verwandelt, denn Fledermäuse konnten bekanntlich ja im Dunkeln sehen! Doch auch für mich, die sie sehen konnte, war es schwer einzuschätzen, ob es sich bei dieser Frau um Freund oder Feind handelte. Witzige Tatsache: Wir sollten bald feststellen, dass beides der Fall war.
Sie kam langsam näher, die Waffen zwar gezogen, aber in einer wie ich fand sehr passiven Haltung. Nach einem kurzen Gespräch darüber, warum sie hier war – ihr Trupp und sie hatte es in die tiefen Gänge von Durlags Turm verschlagen, doch nur sie hatte bis hier her überlebt – entschied ich, nicht länger Katz und Maus zu spielen und schenkte meinen Verbündeten wieder Licht. Gerade rechtzeitig, um einen kräftigen Schwertschlag gegen meinen Arm zu kassieren. Die gute Frau, die sich vor mir aufgebaut hatte und mit der ich gerade ein Gespräch anfangen wollte, holte aus und setzte mir mit zwei kräftigen Schlägen ordentlich zu. Für einen Moment war ich vor Schreck wie gelähmt … Da wollte man einen guten Glauben zeigen und einer völlig Fremden inmitten eines Turms voller böser Gestalten Vertrauen entgegen bringen und prompt wurde man verraten. Gut, wenn ich so darüber nachdenke, klingt das schon ziemlich lächerlich …
Es kam zum Kampf. Natürlich kam es das. Malcer war weniger schockiert als ich und sorgte dafür, dass unsere Gegnerin vorerst nicht dazu in der Lage sein sollte, sich gegen unsere Angriffe zu wehren. Das nutzten wir aus und letztlich schafften wir es irgendwie, sie zu besiegen, auch wenn Malcer dabei ziemlich übel mitgespielt wurde. Glücklicherweise waren meine Zauber nicht gänzlich ausgebrannt und ich konnte ihm einen Teil seiner Stärke zurück geben. Felicia schaute sich derweil den Haufen Fleisch an, zu dem die Frau geworden war, nachdem sie einfach in Flammen aufgegangen war – ich ging davon aus, dass Skaakas etwas damit zu tun hatte. Er ließ ständig etwas in Flammen aufgehen oder explodieren … Auf jeden Fall erkannte sie den Haufen Fleisch als einen Doppelgänger wieder. Ekelhafte Kreaturen, die die Gestalt anderer Personen oder Kreaturen annehmen und ihre Fähigkeiten eins zu eins nachmachen konnten.
Noch während ich damit beschäftigt war, Malcer zu verarzten, hörten wir erneut Schritte aus dem Gang hinter der gleichen Tür, aus der die Frau gekommen war. Natürlich waren wir alle bis aufs Äußerste gespannt und staunten nicht schlecht, als eben jene Frau erneut durch die Tür trat, die Waffen gezogen und uns neugierig, wenn auch etwas skeptisch musterte. Was sollten wir da nun tun? Sie kreiste zumindest nicht um uns herum, sondern sah uns nur an, fragte warum wir hier seien und bekam dafür fast einen Tritt von Malcer ins Gesicht. Der Arme war jedoch vom vorherigen Kampf noch zu geschwächt und so erreichte sein Fuß nicht die Frau, sondern sank vor ihr wieder zu Boden. Das kam davon, wenn man sich nicht von mir fertig verarzten ließ!
Dieses Mal bekamen wir einen Namen von der Frau. Sie hieß Farhea e’Irgendwas (Es klang auf jeden Fall ziemlich edel.) und erzählte uns, ebenso wie der Doppelgänger zuvor, dass sie mit einem Trupp hier unten gewesen war, dieser jedoch durch eine Giftwolke erstickt war. Das erklärte, warum die Leichen keine äußeren Verletzungen o.ä. aufwiesen. Es musste grausam sein, an Gift zu ersticken. Ein Weg, auf dem ich ganz sicher nicht sterben wollte. Übrigens schien Skaakas die Dame zu kennen, denn er begann, sie recht freundschaftlich zu begrüßen. Das war für mich Grund genug, ihr ebenfalls zu vertrauen. Freunde von Skaakas waren auch meine Freunde. Nachdem wir noch ein wenig ratlos in dem Raum herumstanden, entschieden wir, vorsichtig weiter zu gehen. Noch immer Ikes Rune in meiner Hand haltend, ging ich zuerst durch den Gang hinter der Tür in den daran angrenzenden Raum, aus welchem Farhea gekommen war. Sie schloss recht schnell zu mir auf. In dem Raum gab es unzählige Statuen. Mindestens ein Dutzend, wenn nicht mehr. Sie stellten die verschiedensten Gestalten und Kreaturen dar, von Zwergen bis hin zu Trollen. Der Rest der Gruppe blieb im Gang zurück, als ein weiteres mechanisches Knarren das weitere Auf- und Zugehen von Türen zeigte. Außerdem rasten hinter Farhea Gitterstäbe aus der Decke, die den Weg zurück für uns beide blockierten. Gleichzeitig hörten wir ein Geräusch wie Metall, das sich über Stein bewegte und bemerkten aus den Augenwinkeln eine bronzene Statue, die ihren Stehplatz verließ und sich auf uns zu bewegte. Während Farhea von unserer Seite und Felicia von Seiten des Ganges versuchten, die Gitterstäbe nach oben zu drücken, hielt ich uns die Statue vom Hals und spielte Ping Pong mit ihr durch den halben Raum, bis sie recht schnell ein jähes Ende fand. Auch sie verwandelte sich zurück und zeigte einen weiteren Doppelgänger.
Hinter Rudger und Malcer waren erneut Schritte zu hören, weshalb diese ihre Aufmerksamkeit wieder dem Raum zu wandten, aus dem wir gekommen waren. Drei Zwerge waren dort aufgetaucht und schienen uns ebenso wenig friedlich gesonnen zu sein. Noch immer suchten Farhea und ich nach einem Weg, diese verdammten Gitterstäbe los zu werden und mir fiel innerhalb des Raumes eine Statue auf, die anscheinend verschoben worden war oder zumindest verschoben werden konnte. Vielleicht war sie ja ein Mechanismus, der uns hier heraus brachte. Ihr erinnert euch, wie ich vorhin sagte, an einer Vergiftung zu sterben wäre nicht meine Wunsch-Todesursache? Tja. Ratet mal, was geschah, als ich die Statue bewegte. Richtig! Wir – sowohl ich, als auch Farhea, die zu mir geeilt war, als sie sah was ich versuchte – wurden in einen dichten, gelben Nebel gehüllt und unter starkem Husten verlor ich kurzerhand das Bewusstsein. Was danach geschah, bekam ich nicht ganz mit, doch als ich die Augen wieder aufschlug, hörte ich Kampfgeräusche und sah Farhea mit einer leeren Flasche in der Hand über mich gebeugt. Sie musste mir einen der Tränke gegeben haben, die mich vor Gift schützten. Schnell rappelte ich mich auf, um die Lage zu betrachten, in der wir uns befanden. Die drei Zwerge – ein Paladin, ein Waldläufer und eine Frau, die aussah wie eine Magierin – machten unseren vier Kampfgefährten ordentlich zu schaffen, während wir noch immer hinter diesen Gittern feststeckten. Vor allem Skaakas hatten die drei Zwerge ordentlich mitgespielt. Wieder schien er die drei Gestalten zu erkennen, denn er erklärte mir, dass es sich bei ihnen um Fuernebol, Islanne und Kiel handelte – Söhne und Frau von Durlag. Ein wenig irritiert zählte ich für mich selbst Eins und Eins zusammen und glaubte die richtige Entscheidung zu treffen, als ich wild mit den Armen wedelte und versuchte, meinen Verbündeten und die Zwerge davon abzuhalten, weiter zu kämpfen. Vielleicht glaubten die Zwerge nur, wir seien Eindringlinge? Doch schienen die Zwerge wenig Interesse daran zu haben, den Kampf niederzulegen und so kämpfte auch meine Gruppe weiter. Farhea hatte in der Zwischenzeit den Mechanismus gefunden, der das Tor öffnete und so konnten wir endlich ebenfalls dem Kampf beitreten. Oder hätten es zumindest gekonnt, hätte Malcer nicht in diesem Moment mit einem kräftigen Faustschlag dem letzten noch stehenden Zwerg den Gar ausgemacht. Auch diese Drei verwandelten sich in ihre ursprüngliche Form zurück … Sie waren ebenfalls verdammte Doppelgänger gewesen! Jetzt fühlte ich mich irgendwie dumm. Wie hatte ich auch glauben können, diesmal völlig Fremden Vertrauen schenken zu können? In Zukunft sollte ich damit einfach vorsichtiger sein … Oder es zumindest solange wir in diesem Turm waren gar nicht mehr tun. Einfach so jemandem vertrauen, meine ich. Und irgendwelche Statuen schob ich auch nicht mehr durch die Gegend, genauso wenig wie ich jemals wieder irgendwelche Hebel betätigen würde. Zumindest nahm ich mir das in diesem Moment fest vor!
Nachdem der Kampf geschafft und die Doppelgänger, sowie der Statuenraum noch einmal gründlich untersucht worden waren, entschieden wir, vorerst zurück nach oben zu gehen, um uns in einem der Räume weiter oben auszuruhen. Sowohl ich, als auch Rudger waren zaubertechnisch gänzlich ausgebrannt und keinem von uns würde etwas Ruhe schaden. Die meisten von uns waren von dem Kampf mit den Zwergen oder noch vom Kampf gegen Farheas Doppelgänger ziemlich mitgenommen – ich selbst hatte die eine oder andere Verletzung, die ich gern behandelt hätte – und so machten wir uns gemeinsam mit einer vorerst neuen Verbündeten zurück nach oben, um neue Kräfte zu sammeln und dann in alter Frische zu schauen, wie wir weiter verfahren wollten. Schließlich gab es immer noch ein finsteres Buch, das es abzulegen galt.
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