Ihr wollt etwas über mein Leben erfahren? Wie es dazu kam, dass euch mein Gesicht von so vielen Steckbriefen aus angrinst? Setzt euch zu mir, gebt einen aus und ich erzähl euch die Geschichte. Sie ist nicht anders, als die der anderen armen Seelen, die jeden Tag um ihr Überleben kämpfen. Ich hatte wahrscheinlich nur etwas mehr Glück, als die meisten, Tyrmora sei Dank.
Mein Name ist Kairon Teufelsklinge und bis dato habe ich 32 Sommer überlebt. Keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, dass ich ein vielgesuchter Mann bin. Wobei hier normalerweise nur die Männer, die mich suchen, Probleme machen. Bei den Frauen darf man das vielgesucht ruhig als etwas positives Ansehen. Ein Lächeln tritt auf die Züge des Teuflings.
Ich stamme ursprünglich aus Baldur’s Tor. Wie viele meiner Art bin ich als Aussetziger aufgewachsen, ausgestoßen von meinen Eltern und zum Sterben im Freien vor der Stadt zurückgelassen. Ich kann mich nicht einmal an sie erinnern, aber das stört mich nicht. Ich hoffe, dass sie irgendwo elendig verreckt sind. Zumindest stelle ich mir das gern vor. Dort außerhalb der Stadt hätte meine Geschichte wohl ein sofortiges Ende gefunden, doch Tymora war mir hold, wie so oft. Eine Bettlerin, die außerhalb der Stadt verzweifelt nach etwas zu Essen gesucht hatte, fand mich und nahm mich auf. Und das, obwohl sie selbst nichts hatte und obwohl ich gezeichnet war. Sie teilte mit mir, was auch immer sie bekommen konnte und nachdem ich ein wenig selbständiger wurde, versuchten wir beide gemeinsam auf der Straße zu überleben. Wie ihr euch vorstellen könnt, war ich als Bettler nicht besonders erfolgreich. „Missgeburt“, „Teufelskind“ und „Unglücksbringer“ waren noch die netteren Sachen, die gesagt wurden, bevor die Leute schnell an mir vorbeiliefen. Sie hatten wohl Angst, dass sie sich auch in Tieflinge verwandelt könnten, wenn sie zu lange in meiner Nähe wären, als hätte ich eine ansteckende Krankheit.
Auch wenn das Betteln nichts brachte, so war ich doch recht geschickt und konnte die eine oder andere Gelegenheit nutzen, wenn jemand mal unaufmerksam war. Das brachte uns das eine oder andere Mal durch, wenn die Zeiten besonders hart waren und es waren harte Zeiten. Sie endeten schließlich abrupt aufgrund eines Fehlers, den ich gemacht hatte. Der Tiefling hielt kurz inne und schien in die Ferne zu blicken, ehe er fortfuhr.
Ich hatte die falsche Person bestohlen, einen Adligen, sogar ein Aasimar, diese hochnäsigen Arschlöcher, die immer glauben, sie wären etwas Besseres und würde Weisheit scheißen. Als der Kerl mitbekam, dass ich ihn beklaut hatte, wurde er furchtbar wütend und hetzte mir seine Leibwächter hinterher. Ich rannte, was das Zeug hielt und konnte sie dank meiner Größe abhängen und mich verstecken. Doch der Sack ließ es damit nicht auf sich ruhen. Er ließ seine Untertanen Nachforschungen anstellen und hörte schnell von der Bettlerin mit dem Teufelskind. Sie machten meine Ziehmutter ausfindig und nahmen sie mit zu seinem Anwesen. Ein paar Tage später hörte ich Gerüchte, dass eine Frau wegen der Vereinigung mit einem Teufel verhört wurde und verbrannt werden sollte. Sie machte darauf ein Riesenspektakel. Straßenschreier verkündeten die Neuigkeit und ein paar Aushänge konnte man ebenfalls finden. Als der dafür vorgesehene Zeitpunkt schließlich gekommen war, wurde ein großer Scheiterhaufen auf dem großen Platz unweit des Marktplatzes aufgebaut. Der Tiefling schwieg wieder eine Weile in Gedanken versunken.
Ich war da, als sie meine Ziehmutter zu dem Scheiterhaufen zerrten. Sie war völlig zerschlagen und ihre Sachen noch mehr zerrissen, als sonst. Sie schrie und wehrte sich und weinte die ganze Zeit über. Ich stand in der Menge, den Dolch des Adligen versteckt in der Hand. Ich wollte zu ihr rennen, all diese Bastarde abstechen, sie befreien und mit ihr fliehen, doch gerade, als mich die Wut übermannen und ich losrennen wollte, traf mich ihr Blick. Sie sah mich und schüttelte leicht mit dem Kopf. In diesem Blick lag so viel, ihre ganze Liebe, die sie mir all die Jahre geschenkt hatte, Freude, dass es mir gut ging und Sorge, dass ich etwas Dummes tun könnte. Mit ihrem Blick und ihrer Mimik teilte sie mir mit, dass sie nicht wollte, dass mir etwas passieren würde. Sie zwang sich sogar zu einem Lächeln, um mir zu zeigen, dass es so in Ordnung war. Sie wollte nur, dass es mir gut ging. Wieder unterbrach ein kurzes Schweigen die Geschichte.
Ich blieb bis zum Schluss in der Menge, vermummt und verkleidet. Ich war es ihr schuldig. Wie dem auch sei, zu dem Zeitpunkt war ich 8 Jahre alt und kurz nach der Verbrennung wurde dann ein Kopfgeld auf mich ausgestellt, mMein erstes Kopfgeld. Der Vollarsch konnte es also auch nicht bei der Verbrennung meiner Ziehmutter belassen, er wollte mich unbedingt tot sehen. Wäre ich ab da auf mich allein gestellt gewesen, hätte sich sein Wunsch wahrschneinlich sogar erfüllt. Doch ein Tiefling zu sein hat nicht nur Nachteile. Unser Ausehen bietet uns auch viele Vorteile. Die Frauen stehen auf dieses böse, verruchte und verbotene Aussehen. Und wenn dich jemand blöd anstarrt oder abfällige Bemerkungen macht: Starre ernst zurück und sag vielleicht noch was auf Infernal. Es ist immer wieder amüsant, wie schnell die Leute plötzlich etwas erledigen müssen. Ein amüsiertes Lächeln umspielte wieder die Mundwinkel des Tieflings.
Ein gesuchter Tiefling erweckt natürlich das Interesse der Gemeinden der Schatten, Diebesgilden, Piraten und was sonst noch so dazu gehört. Das Aussehen eines Tieflings wirkt auf viele einschüchternd und kann einen passenden Ruf einbringen. So jemanden kann man gut gebrauchen, wenn man Schutzgeld erpressen oder rivalisierende Banden einschüchtern will. Und so kam es, dass mich die Diebesgilde in Baldurs‘ Tor aufnahm. Sie bildeten mich im Kampf aus und brachten mir bei, wie ich Türen und Schlösser öffnete, in Häuser einbrach und jede Menge andere Kniffe, um das zu bekommen, was ich gerne wollte. Mit den Vorteilen und dem Ruf als Tiefling und meiner angeborenen, magischen Begabung fiel es mir leicht, in höhere und lukrativere Positionen innerhalb der Gilde aufzusteigen. Ich hatte Geld, Frauen und konnte das Leben in vollen Zügen genießen, so wie es sich ein jeder wünscht. Doch anstatt mein Leben zu leben und den Status, den ich erworben hatte, zu genießen, musste ich natürlich all das aufs Spiel setzen. In mir brannte weiterhin ein Zorn über die Geschehnisse um meine Ziehmutter und nun, wo ich älter war und mir viele Fähigkeiten angeeignet hatte, wurde ich auch bis zu einem gewissen Maß arrogant. Ich dachte, dass ich nun Gerechtigkeit walten und es diesem Bastard von Aasimar heimzahlen könnte. Das wäre doch ein Leichtes für mich. Wie ich mich doch irren sollte.
Ich beschloss mein Glück in einer Neumondnacht zu versuchen. Ich wollte mich in das Anwesen des Aasimars einschleichen, dort einbrechen und ihm im Schlaf die Kehle aufschlitzen. Oder eher nachdem ich ihm meine Hand auf den Mund gepresst und ihm tief in die Augen geblickt hätte, damit er erkennt, wer ihn holen kam. Dabei hätte ich dann noch einiges von Wert mitgehen lassen und so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Aber was soll ich sagen? Es ging natürlich total schief. Meine jugendliche Arroganz und Überheblichkeit sorgte dafür, dass ich Fehler machte und der ganze Plan in die Hose ging. Ich werde euch nicht mit Details über mein Scheitern langweilen, nur so viel: Ich konnte gerade noch so entkommen und untertauchen, doch da der Aasimar mich gesehen hatte und ahnen konnte, wer ich war und warum ich bei ihm eingebrochen war, setzte er in den Folgetagen all seine Beziehungen ein und stellte die halbe Stadt auf den Kopf, um mich zu finden. Mein Kopfgeld schnellte in die Höhe undich musste aus der Stadt verschwinden. Wie gut, dass zu dem Zeitpunkt eine passende Gelegenheit anonym in der Stadt war.
Einige Bloodbeard-Piraten waren für ein paar Deals in der Stadt, während ihr Schiff versteckt ein Stück außerhalb vor Anker lag. Ich hatte die Gerüchte in der Unterwelt zuvor schon vernommen und machte mich auf die Suche nach ihnen. Bei den Piraten ist es wie bei den Diebesgilden: Ein Tiefling mit seinem volksverbundene Ruf war ein wertvolles Mitglied, vor allem, wenn er von einer Diebesgilde bereits ausgebildet worden war und magische Fähigkeiten besaß. So kam ich, dass ich ein Mitglied der Bloodbeard-Piraten wurde und mit der „Devilish Maiden“ reiste. Es waren ein paar tolle Jahre. Die Crew war großartig und wir waren sehr erfolgreich. Und vor allem bei den Landgängen konnte man es sich richtig gut gehen lassen. Irgendwie standen die Frauen auf Piraten noch mehr, als auf Mitglieder der Diebesgilde.
Leider hielt auch diese Zeit nicht an. Irgendwann reichte es den Hafenstädten und sie vereinten ihre Bemühungen, um die Devilish Maiden zu versenken. Drei Schiffe waren dazu nötig und obwohl diese nach der Schlacht in keinem besonders guten Zustand mehr waren, wurde die Devilish Maiden gekampert und versenkt und der Großteil der Bloodbeard-Piraten getötet. Der Rest, darunter auch ich, wie ihr euch vorstellen könnte, wurde gefangen genommen und sollte nach Tiefwasser gebracht werden, wo uns der Prozess gemacht werden sollte. Glücklicherweise gelang es mir kurz vor der Stadt mich und meine unglücklichen Kameraden zu befreien und wir konnten mit einem Ruderboot an Land fliehen. Zerschlagen, wie unsere Bande war, zerstreuten wir uns in alle Himmelsrichtungen. Das war das Ende der Bloodbeard-Piraten.
Ich setzte mich mit meinem Freund Rurik nach Tiefwasser ab. Wie sagte man doch so schön: Sei nahe deinen Freunden, aber noch näher deinen Feinden. In der Stadt hätten sie uns als letztes erwartet. Wir tauchten in der Stadt unter und schlossen uns der dortigen Diebesgilde an. Weiterhin per Kopfgeld gesucht, wieder einmal etwas höher, schlugen wir uns beide so durch, bis es uns eines Abends in eine volle Taverne mit hübschen Frauen und viel Rum verschlug. Während der ausgelassenen Feier und nach mehreren Krügen Rum redeten wir über unsere Zeit als Piraten und in mir keimte ein Ziel auf. Ich wollte genug Geld verdienen, um mir ein eigenes Piratenschiff zu kaufen, eine Crew anzuheuern und wieder auf Fahrt zu gehen. Rurik war skeptisch und in einem freundschaftlichen Wettstreit diskutierten wir, wie man das Geld heranschaffen könnte. Dabei wurde auch das Gewölbe des wahnsinnigen Magiers angesprochen. Und es kam, wie es kommen musste: Rurik schlug eine Wette vor. Jeder der mich kennt, weiß, dass ich zu einem freundschaftlichen Wettstreit schlecht nein sagen kann. Es spornt mich an, wenn jemand meint, dass ich etwas nicht kann.
Und so begann die Wette darum, ob ich bei einer Expedition in das Gewölbe von Halaster dem Wahnsinnigen überleben und mit genug Schätzen wieder zurückkehren könnte, um mir ein Schiff und eine Piratencrew leisten zu können. Auf das uns Tymora gewogen sei und jede Falle, die wir übersehen, eine Fehlzündung hat… oder eines der Monster des Labyrinths trifft, anstatt uns.
Trackbacks/Pingbacks