Lilian Littleleaf Lindenbrook

Lilian_Hazel_Littleleaf_Lindenbrook

Meine Eltern und ich sind nun schon vor einigen Jahren aus unserer eigentlichen Heimat abgereist. Eigentlich waren wir zu viert, doch meinen Bruder konnten wir nicht mitnehmen.
Er starb kurz vor meinem sechsten Geburtstag. Mein Bruder musste auf mich aufpassen. Er nahm mich mit in den Wald. Meine Eltern wussten nicht, dass er dort mit anderen, älteren Kindern verabredet war. Sie waren nur froh, dass er mich zum Spielen mitnahm.
Da er sich nicht vor den Anderen mit mir sehen lassen wollte, sollte ich mich verstecken und er würde mich suchen. Da es mein Lieblingsspiel zu der Zeit war, freute ich mich und so suchte ich nach einem schweren Versteck, als er begann zu zählen. Unter einem Baum, zwischen den Wurzeln versteckte ich mich und kicherte.

Ich hörte ihn auch ein- zweimal Rufen. Doch er fand mich nicht. Nach einer ganzen Weile bekam ich Angst und so kam ich hervor und suchte ihn. Ich fand ihn mit seinen Freunden am Lagerfeuer. Erst wollte ich ihn zur Rede stellen. Dann wollte ich alleine nach Hause laufen, damit er richtig Ärger bekommen würde. Doch er sah mich und kam nach einem Augenrollen auf mich zu. „Bitte verrate Ma und Pa nichts…“ waren seine Worte an mich.
Ich wollte Antworten, doch da hörten wir die Schreie von Lardal’s Freunden. Ruckartig drehten wir uns zu ihnen und da war es. Ein riesiges Monster, dass auf sie zu rannte. Mein Bruder schubste mich in die Büsche während er auf seine Freunde zu sprintete doch die hatten sich bereits in alle Himmelsrichtungen davon gemacht. Mitten im Sprint blieb er stehen als er sah wie das Monster in meine Richtung sprang und mit seinen Krallen in das Gebüsch fuhr unter welchem ich lag.
Reflexartig schloss ich meine Augen bis ich einen Körper auf mir spürte. Es war der meines Bruders. Schützend lag er auf mir. Die Kralle, die seine Schulter durchbohrte traf auf meine. Ich wollte schreien, doch ich presste mir meine Hand auf den Mund. Sein schmerzverzerrtes Gesicht so dicht an meinem und sein Keuchen sehe und höre ich heute noch manchmal nachts in meinen Träumen.
Bevor er das Bewusstsein verlor hauchte er „hab dich lieb Hazel…“ Erst als ich das Grunzen des Monsters nicht mehr vernahm, hievte ich meinen Bruder von mir und zerrte ihn zurück nach Hause. Dort angekommen erzählte ich was passiert war und hoffte meine Mutter würde ihm helfen können.
Doch was auch immer meinen Bruder verletzt hatte… hat etwas in seinem Körper hinterlassen was nicht zu heilen war. Er wachte nie wieder auf und ich gebe mir die Schuld. Wäre ich nicht aus meinem Versteck gekommen… Dann hätte er mich nicht schützen müssen….
Erst ein paar Jahre später haben sie mir erzählt was geschehen war. Sie erzählten, dass unser „Haus“ in der alten Heimat ihm nicht helfen konnte bzw. wollte. Und das obwohl sie als das Heilerhaus bekannt waren oder sind. Wie auch immer. Mein Vater hatte nicht genug Gold um für die Heilung zu bezahlen. Enttäuscht und traurig haben sich meine Eltern dann aufgemacht.
Doch wir waren nicht alleine. Der beste Freund meines Bruders und sein Vater (obwohl sie aus einem anderen Haus sind) und ein paar andere Halblingsfamilien haben sich uns angeschlossen. Es war nicht leicht doch in dem neuen Dorf wurden alle schnell angenommen und akzeptiert. Trotz der Male, die einige von uns tragen.

Die Familie von Timmothy übernahm die Taverne und wir, die mit ihren Malen in Notfällen zügig heilen können, wurden schnell in der Heilergilde aufgenommen. Doch können wir nicht nur mit dem Mal heilen. Meine Mutter ist auch sehr geschickt im Umgang mit Kräutern und der Herstellung von Elixieren, Gebräuen und Tinkturen.
Leider habe ich nicht das Talent meiner Mutter aus Kräutern alles Mögliche herzustellen. Darin war mein Bruder tatsächlich besser.
Dafür habe ich früh meinem Vater zugeschaut, wenn er mit anderen trainiert hat. Ich war fasziniert davon und übte abseits, außerhalb der Sichtweite der Anderen, die Schritte und Bewegungen. Als mein Vater mich dann mit dem Schwert meines Bruders erwischte, wie ich auf eine der Trainingspuppen versuchte einzustechen, schaute er mir eine Weile zu und kam dann lachend auf mich zu.
Er sah mein Talent dafür, doch wäre das die falsche Waffe für mich und er reichte mir einen Krummsäbel, wie er ihn nannte.
Ich bekam mein Mal gleich nach der Geburt am Hals auf der linken Seite, was wohl eine Ausnahme ist. Die Meisten bekommen es während ihrer Pubertät oder gar nicht. Meine Mutter trägt ihres am rechten Unterarm (jedenfalls zurzeit). Mein Vater und mein Bruder haben keines. Auch wenn es eigentlich ein Segen ist, gibt es auch Nebenwirkungen bei der Benutzung. Das meiner Mutter verändert die Position am Körper und bei mir fühlt es sich an, als würde es währenddessen brennen und danach sieht es für eine Weile aus wie ein Brandmal.

Das erste Mal manifestierte sich die Kraft zufällig und tatsächlich aus der Not heraus.
Timmothy und ich waren in der Dämmerung im Wald unterwegs. Sollten Kräuter sowohl für die Taverne, als auch für meine Mutter sammeln, als diese riesige (ja, für uns Halblinge ist fast alles riesig, aber das Ding war noch größer als „normal“) Kreatur uns angriff. Ich verteidigte uns mit meinem Krummsaäbel so gut ich konnte und es von meinem Vater gelernt hatte. Wir steckten ganz schön in der Klemme und dann war er auf einmal da. Ein Halbling, den ich noch nie im Dorf gesehen hatte. Er zog die Aufmerksamkeit des Viehs auf sich und gemeinsam konnten wir es dann in die Flucht schlagen.
Er steckte viel, sehr viel ein. Verzweifelt ihm im Wald, soweit ab vom Dorf, nicht helfen zu können, spürte ich es auf einmal… Mein Mal.… es juckte erst und dann spürte ich ein brennen auf der Haut und wie etwas durch meine Adern floss und sich dann auf Theadric (so stellte er sich später vor) als Heilung übertrug. Zusammen mit Timmothy brachte ich ihn ins Dorf.
Dort kümmerte ich mich weiter um ihn. Erzählen wollte er anfangs nicht viel, und ich bin nicht besonders gut in Freunde machen. Doch Timmothy ließ nicht locker. Reden, ja das kann er halt und so öffnete sich Theadric und begann ein wenig von sich und seinem Leben zu erzählen. Und je mehr er berichtete umso interessanter fand ich ihn. Wir verbrachten immer mehr Zeit miteinander. Er war faszinierend und ich spürte, dass er nur einen Teil seiner Geschichte erzählt hatte.

Als wir dann mal alleine zusammen im Wald unterwegs waren traute ich mich endlich ihn auf seine ganzen Narben an den Armen anzusprechen. Er druckste erst herum doch dann erzählte er von sich, dem Training und dem Ritual welches er durchgemacht hatte um mit seinem Blut seine Waffe zu benetzen damit diese Stärker wird.
Ich war gerade frische 14 geworden und ich flehte ihn an mit mir zu trainieren. Mir beizubringen was er gelernt hatte. Er war ein harter und strenger Lehrer. Nach einem halben Jahr fasste ich den Mut und näherte mich ihm an. Er war sich unsicher ob er mir das geben könnte was ich an Nähe und Zuneigung brauchte, doch ich wusste, dass er auch liebevoll sein kann. Auch wenn er mal grob wurde, richtig verletzt hat er mich nie.

Fünf Jahre trainierten wir zusammen. Immer wieder gab es Rückschläge aber auch das ein oder andere Lob bekam ich. Während eines Trainings passierte es dann. Wir waren schon gut außer Atem als wir Geschrei hörten. Ohne zu zögern rannte ich los kam es doch aus der Richtung meines Dorfes. Theadric lief mir hinterher. Ich kam noch vor dem Vieh am Dorf an und stellte mich in den Weg. Allein. Wie dämlich ich damals war. Und es hätte mich fast mein Leben gekostet. Wäre Theadric mir nicht hinterher und hätte mich angeschrien meinen Kopf zu benutzen wer weiß was dann geschehen wäre.
Wir flankierten uns und ich wollte seine ungesicherte Seite schützen, als er mit voller Wucht das Vieh treffen wollte. Doch das Ding wich aus und er traf mich. Während des Kampfes bekam ich es kaum mit und gemeinsam mit anderen aus dem Dorf konnten wir das Monster vertreiben. Theadric kam auf mich zu und ich hörte ihn auch etwas sagen doch meine Sinne schwanden mir und ich sackte in seinen Armen zusammen.
Meine Mutter konnte mich stabilisieren doch ich fühlte mich merkwürdig. Mein Innerstes zerrissen, müde und ausgelaugt. Ich hatte schlaflose Nächte mit Alpträumen. Immer wieder sah ich Runen, Zeichnungen, Blitze in den unterschiedlichsten Farben. Ich spürte ab und an, dass jemand meine Hand hielt, doch war ich einfach zu erschöpft um darauf zu reagieren.
Nur langsam fand ich wieder auf die Beine und konnte erst nach ein paar Tagen zu Theadric in den Wald gehen.
Er wollte von Anfang an nicht in der Stadt wohnen und hatte sich außerhalb in einer Höhle niedergelassen.
Er war froh mich zu sehen und ich erzählte ihm was ich fühlte und was mich bewegte. Seine Mine veränderte sich dabei. Aus seinem Lächeln wurde Besorgnis, aber auch Unsicherheit konnte ich sehen. Dann meinte er, dass in seinem Orden jemand wäre der mir helfen könnte. Es würde eine längere reisen werden, aber nur so könnte ich Hilfe bekommen.
Natürlich wollte meine Mutter mich nicht ziehen lassen. Doch all ihr Wissen und alle Bücher die sie wälzte waren keine Hilfe und so machten wir uns dann doch zu zweit auf den Weg.
Timmothy ermahnte mich bloß kein Abenteuer ohne ihn zu bestreiten. Er müsste doch dabei sein um eine Geschichte daraus machen zu können.
Fast zwei Monate waren wir unterwegs. Theadric sagte mir nicht wohin es ging. Er versuchte mich auf das vorzubereiten was mich erwarten würde. Wie „sein“ Orden so funktioniert und warum er ihn vor einiger Zeit verlassen hatte.
Ich dachte jetzt würde er mir eine Liebesgeschichte erzählen, doch ich irrte mich. So wie ich verlor er seinen Bruder, Thidoorin. Jedoch nicht durch eine Krankheit oder einen Kampf, sondern durch das Ritual, welches er durchgemacht hatte.

Er war sich sicher, dass er es überleben würde und sein Bruder wusste dies auch. Alle wussten aber auch, dass der Bruder nicht so stark, nicht so viel Willensstärke besaß. Und eigentlich hatte er auch zugestimmt das Ritual nicht zu machen, doch der Dickschädel hatte es sich doch anders überlegt. Und wie vorausgesagt… War er leider zu schwach.
Theadric gab dem Ausbilder seines Bruders die Schuld. Hatte er doch zugestimmt obwohl er auch wusste, dass er nicht die Stärke besaß.
Er wurde so wütend, dass der Orden es für besser hielt ihn für eine Weile alleine los ziehen zu lassen. Im Notfall konnte er auf sie zählen, doch war der Abstand besser für alle.
Die Jahre alleine und dann mit mir zusammen brachten ihm ein wenig Ruhe und es wäre auch für ihn eine Rückkehr zu seinem Orden.
Ich wusste nicht was mich erwarten würde. Unter einem Orden konnte ich mir nur schwer etwas vorstellen. Eine Ansammlung an Männern und Frauen. Nicht unbedingt etwas Großes. Doch wie hatte ich mich getäuscht.

An der Doppeltür der Festung… Ja, doch so kann man es wohl am besten bezeichnen, standen links und rechts jeweils eine Wache in ihrem… Wachhaus. Als wir uns näherten ging Theadric vor. Ich verstand nicht genau was er sagte aber „Feuer, bekämpfen… Monster werden“ … war alles was ich hörte.
Es dauerte auch nicht lange und eine Seite der Tore ging auf. Er winkte mich heran und wir gingen gemeinsam hindurch.
Ich wollte ansetzen ihn zu Fragen was er gesagt hatte… Doch wurde ich schnell durch die Umgebung abgelenkt.
Wir gingen auf einem Weg entlang auf ein großes Gebäude zu. Rechts und links von uns gab es Läden, Ställe und alles Mögliche. Ich hörte das Hämmern in einer Schmiede. Und auch eine kleine Taverne sah ich.
Es wirkte alles wie eine wirklich kleine Stadt. Nach ein paar Meter kam uns ein Mensch entgegen. Er sah älter aus und irgendwie… seine Mimik war schwer zu deuten, aber als er Theadric erblickte schien ein Lächeln über sein Gesicht zu gleiten. Die beiden begrüßten sich. Formell mit Handschlag und Theadric begrüßte ihn mit „Meister“.
Das war also sein Ausbilder gewesen. Und jetzt konnte ich auch bei ihm einige Narben auf den Unterarmen erkennen. Dann traf mich sein Blick. Es fühlte sich an, als würde er direkt in mich hineinsehen. Seine kühlen blauen Augen durchbohrten mich regelrecht. Als sein Blick auf mein Mal viel kniff er seine Augen ein wenig zusammen. Dann ließen mich die beiden stehen. Sie müssten etwas bereden…
Und ich stand alleine dort. Jedoch nicht lange. Kaum waren meine zwei Begleiter außer Sichtweite kam aus der Taverne eine Elfe auf mich zu. Sie zerrte mich quasi hinein und setzte mich an den Tresen. Ohne viel zu sagen stellte sie mir etwas zu Trinken und zu Essen hin. Ich bedankte mich dafür und während ich begann zu Essen stellte sie sich als Valyra Elmheart vor.
Sie versuchte sich mit mir zu unterhalten… Doch wie so oft viel es mir einfach schwer mich zu öffnen und so erzählte ich nur das Nötigste. Wie immer. Sie blieb unglaublich freundlich und erzählte, dass sie Theadric kennt und überrascht war ihn wieder hier zu sehen. Lange dauerte das Kennenlernen nicht, da ich von Theadric abgeholt wurde. Sein Meister wollte mich kennenlernen meinte er. Und so ging ich mit ihm mit. Und fühlte mich einerseits ängstlich anderseits freudig und aufgeregt.

Ich wurde in das Studierzimmer des Meisters geführt. Jedenfalls würde ich diesen Raum so bezeichnen. Bücher über Bücher und jede Menge Schriftrollen gab es dort. Vor dem Kamin sollte ich Platz nehmen. Neben Tjorven Thunderbird, wie er sich vorstellte, nahm ich Platz. Er fragte mich nichts, sah mich nur an und musterte mich. So unwohl habe ich mich noch nie gefühlt.
Und dann… ich weiß nicht warum fing ich an zu erzählen. Alles… Wirklich alles erzählte ich ihm. Wo ich aufgewachsen bin, von meinem Bruder und meinen Eltern. Das erste Treffen mit Theadric. Und was passiert war, als wir das Dorf verteidigten und was zurzeit in mir los war.
Danach sah er mich einfach nur an. Dann nickte er und erzählte, was mich die nächsten Monate erwarten würde, wenn ich wirklich den Weg der Ausbildung weitergehen möchte. Er gab mir einen Tag Bedenkzeit. Alles was er mir erzählte hörte sich gruselig und furchteinflößend an doch er war sich relativ sicher, dass ich es schaffen könnte.  
Dann musste ich ihm versprechen, dass ich keinem, außer anderen Auserwählten, den Ort verraten würde. Dies konnte ich ihm sofort zusagen.
Nach meiner Wandlung würde ich dann auch die Parole lernen, mit der ich Zugriff auf diesen oder andere Orden bekomme.
Ich hatte eine fast schlaflose Nacht. Ich wälzte mich hin und her und kam einfach nicht zu Ruhe. Erst als ich dann in den Armen von Theadric lag konnte ich mich ein wenig ausruhen. Er redete mir gut zu und auch er war sich sicher, dass ich das Ritual überleben würde. So viel Kampfgeist und Wille wie ich hätte, würde ich das Meistern.
Auch wenn mein Kopf voller Fragen war, fragte ich nicht. Ich genoss es einfach und am nächsten Morgen war ich mir dann sicher und ich ging zu Tjorven und stimmte dem Ritual zu.
Noch am gleichen Tag wurde ich in einen anderen Teil des Ordens gebracht.
Dabei liefen wir an anderen Häusern vorbei. Ich sah die Dinge, die meine Mutter für ihre Tinkturen, Seifen und Öle nutzte. Einen Metzger, jemand der mit Leder und Stoffen durch die Gegend lief.
Der Raum in den Gebäude war kleiner, als von außen zu erkennen. In der Mitte waren Runen aufgezeichnet in die ich mich setzen musste.
Vor mir wurden dann unterschiedliche Phiolen mit merkwürdig aussehendem Inhalt aufgestellt. Ich weiß nicht mehr wie viele es waren und nur an einige kann ich mich richtig erinnern, was vielleicht auch besser ist.
Tjorven, Theadric, Valyra und eine Zwergin, sie stellte sich später als Koggeabella Smelthead vor, nahmen um mich herum Platz.
Die erste Phiole hatte einen zähflüssigen, purpurfarbenen Inhalt. Es war das aufbereitete Blut eines Dretch. Ich spürte, wie mein Körper vor Qualen aufschrie. Kaum hatte ich alles hinunterbekommen und mein Körper hatte sich etwas beruhigt, schnitt mir die Zwergin mit meinem Krummsäbel über den rechten Oberarm.
Die Wunde verschloss sich und nach ein paar Minuten verließen wir das Gebäude wieder. Bis zum nächsten Tag für die nächste Phiole und den nächsten Schnitt.
Ich erinnere mich außerdem noch an
einen dickflüssigen, eisig blauen Inhalt und wie ich das Gefühl hatte, mein Gehirn würde einfrieren. Den Schnitt in den linken Oberschenkel bekam ich kaum mit.
ein trockenes Pulver, dass ich hinunterschlucken musste. Ich hatte das Gefühl ich würde von innen heraus verfaulen und musste mich zwingen es nicht auszuhusten.
eine blassrote Phiole, die vor Elektrizität vibrierte. Jeder meiner Muskeln verkrampfte bei jedem Schluck.
eine Phiole mit gasförmigen, dampfenden, dunklen violetten Inhalt. Ich konnte es nicht trinken und so musste ich es in meine Nase aufsteigen lassen.
Besonders im Gedächtnis ist mir aber ein dickes, nässendes Rot geblieben. Diese Phiole hätte mich fast gebrochen. Die Visionen, die vor meinem geistigen Auge entstanden, ließen meine tiefsten Ängste und Unsicherheiten entstehen. Ich weiß noch, dass ich schrie als Theadric mir dann mit seinem Krummsäbel über den Rücken fuhr.
Je öfter wir dies wiederholten mit mehr und mehr Phiolen schienen sich die selbst zugefügten Wunden schneller zu heilen, die Zeit schien sich zu beschleunigen, die Schnitte heilten in Sekunden, die Narben verblassten, als wären Jahrzehnte innerhalb von Minuten vergangen.
Dann, nach einem guten halben Jahr war dann keine Phiole mehr in Sicht und ich fühlte mich erleichtert und war dankbar, dass diese Tortur vorbei war.

Mein Atem ging schwer, als ich auf meinen Knien nach Luft schnappte. Als ich dann aufgesehen habe, sah ich die vier anderen über mir stehen. Tjorven teilte mir mit, dass ich die Vorbereitungen für das Ritual erfolgreich abgeschlossen hatte.
Ich konnte seine Worte kaum richtig verarbeiten, als ich stechende Schmerzen spürte während die Dolche der Vier meinen Hals durchbohrten.
Ströme von Blut begannen zu sprudeln, und mein Herzschlag hatte Mühe, mit der rapide abnehmenden Menge an Lebenssaft in meinem Körper Schritt zu halten.
Ich spürte, wie meine Haut kalt wurde, meine Augen schwer wurden, der Blutverlust ließ mich langsam in die Bewusstlosigkeit abdriften, während mein Körper in einem Zustand der Selbsterhaltung zu schalten begann.
Die Geräusche wurden immer entfernter und gedämpfter, als ich ein letztes Mal die Stimme von Theadric hörte, bevor mich die Dunkelheit einholte.
Ich machte mich bereit mein Leben an mir vorbeiziehen zu sehen. Das ist es doch, was einem erzählt wird passiert, sollte man dem Tod nahe sein.
Doch nichts passierte. Jedenfalls nichts von dem ich gehört hatte.
Ich sah die Phiolen vor mir. Alle die ich in dem letzten halben Jahr zu mir genommen hatte. Sie waren leer. Dann sah ich wie die Flüssigkeiten aus mir hinaus strömten um sich in den Gefäßen zu sammeln.
„Fang sie alle“ waren die letzten Worte von Theadric gewesen. Jetzt machten sie Sinn und ich versuchte mich zu bewegen. Ich kam zunächst nicht von der Stelle. Es dauerte bis ich die erste hatte. Sie verschwand, kaum dass ich sie berührt hatte. Und ich fühlte mich besser. Wie ein Puzzle das zusammengesetzt wird fühlte ich mich mit jeder Phiole vollkommener.

Als ich alle beisammen hatte änderte sich das Schwarz um mich. Es wurde dunkel blau und ich fühlte mich träge, als wäre ich unter Wasser. Panik machte sich breit, hatte ich Angst zu ertrinken. Über mir sah ich eine Hand und griff nach ihr wie nach einem Rettungsring.
Nach Atmen ringend öffnete ich die Augen. Theadric hielt meine Hand fest in seiner und er lächelte mich an wie er mich noch nie angesehen hatte. Er beugte sich zu mir, küsste mich lange und intensiv bis er meinte „willkommen zurück kleines“.

Langsam gewann ich auch die Kontrolle über meinen restlichen Körper zurück.
Ich sah nicht anders aus, aber ich fühlte mich… Ganz. Nicht zerrissen oder erschöpft.
Ich fühlte mich gut.
Ein paar Tage hatte ich um mich ganz zu erholen. Diese verbrachte ich hauptsächlich mit Theadric allein. Er war anders zu mir. Konnte er jetzt doch offener reden und sich anders verhalten.
Die nächsten Wochen lernte ich wie und was ich mit meiner Waffe machen und erreichen konnte. Wir übten zunächst innerhalb der Festung doch zog es mich raus. Diesen Jagddrang muss ich noch unter Kontrolle bekommen, aber auch das ist Übungssache, wurde mir versichert

Ich war tatsächlich glücklich dort. Doch der Tag der Abreise rückte näher. Ich wollte und musste zurück. Theadric würde mich begleiten, doch war uns beiden klar, dass er danach wieder alleine reisen würde.
Es wäre also auch ein Abschied. Hoffentlich nur auf Zeit.

Auf dem Weg zurück nach Hause fragte ich ihn dann alle Fragen, die ich hatte.
Angefangen mit der Frage, die ich gar nicht stellen musste, sondern er mir eines Abends am Lagerfeuer von sich aus erzählte.

Als Neugeborener wurde er vor der Festung abgelegt. Ohne Kleidung und ohne irgendwelche Anzeichen zu wem er gehörte. Tjorven und seine Frau nahmen ihn bei sich und seinem Sohn, der nur ein paar Tage älter war, auf. Seine Frau allerdings starb an den Folgen einer Vergiftung während der Geburt und anfangs war es wohl schwer für Tjorven, aber die Beiden Babys hatten sich schon so aneinander gewöhnt, dass er es nicht übers Herz brachte sie zu trennen. Und so bildete er sie beide aus.
Theadric hatte nie das Gefühl, nicht geliebt zu werden doch fehlte ihm etwas. Und das fand er in der Ausbildung. Auch er fühlte sich nach dem Ritual vollständiger. Ich konnte es jetzt verstehen.
Auf die Frage, warum alle anwesenden mich mit ihrem Dolch stachen, meinte er, dass jeder von ihnen ein Blutopfer bringen musste. Sie haben sich also in die Handinnenfläche geschnitten auf der sie vorher eine arkane Rune, jeder eine andere, gezeichnet hatte. Als ich aber seine Hand nahm sah ich nichts und spürte auch keine Narbe als ich mit meinen Fingern über die Innenfläche seine Hand fuhr.

Das Arkane, meinte er, würde verhindern, dass nicht alles eine Narbe hinterlässt. Wir redeten wirklich über alles.
Er erzählte mir, dass er Timmothy mochte und eigentlich dachte, dass wir beide mehr als Freunde wären als er uns kennengelernt hatte und den Umgang sah, den wir miteinander hatten.
Auch wenn ich vehement verneinte, dass da mehr wäre. Dachte ich an die Male als es mich doch mehr gestört hatte, wenn er mit einem Mädchen auf ein Zimmer gegangen war. Doch ich schüttelte den Gedanken schnell wieder ab. Er ist doch… wie ein Bruder…
Und außerdem bin ich nicht sein Typ. Er steht auf die Gutaussehenden. Die mit den langen Haaren, die Starken, einfühlsamen Frauen, die seinen Geschichten lauschten und ihn dabei anhimmelten.

Theadric bemerkte meine leichte Abwesenheit und lachte. So hab ich ihn eher selten gesehen. Ich schob die Gedanken ganz, ganz, ganz weit weg. Ich wollte die Zeit mit ihm genießen vor allem da ich nicht wusste, ob ich ihn Wiedersehen würde.

Auf dem weiteren Weg und je näher wir meinem zu Hause kamen wurde ich ruhiger. Ich wollte mich nicht verabschieden. Und so sagte ich Theadric, dass ich den letzten Tag alleine gehen würde.
Wir verbrachten unsere letzte gemeinsame Nacht nur mit wenig Schlaf. Wir hielten uns in den Armen bis die Sonne aufging. Ich musste es nicht aussprechen. Er sagte einfach „ich dich auch Kleines.“
Und nach einem unglaublich langem und wundervollem Kuss ging jeder seiner Wege.
Die letzten Stunden bis nach Hause fühlten sich so lange an. Doch dann kam das Dorf in Sichtweite. Meine Füße liefen fast von alleine. Ich sah nicht nach rechts und links sondern lief stur zum Haus meiner Eltern.
Es war früher Abend und ich wusste, sie würden daheim sein. Und ich hatte recht. Sie saßen, wie immer um diese Zeit am Tisch und tranken Tee und aßen das leckere Honigbrot nach dem Rezept unserer Ur-Ur-Urgroßmutter.
Meine Mutter verschüttete vor Freude ihren Tee, als sie aufsprang um mich zu umarmen. Die Begrüßung dauerte eine gefühlte Ewigkeit, aber ich hätte es auch nicht anders gewollt. Ich erzählte ihnen von dem was ich durfte. Was bis auf der Standort, das Ritual und die Parole mit der ich in einen Orden eintreten dürfte ( „Wie Feuer mit Feuer zu bekämpfen, ist der einzige Weg, ein Monster zu töten, eines zu werden.“), alles war.
Der Abend schritt fort und ich machte mich auf zur Taverne von Timmothy und seinem Vater.
Schon von Weitem konnte ich seinen Vater singen und das Klatschen und Gejohle der Besucher hören.
Ich stellte mich in eine Ecke und ließ ihn die Aufführung beenden. Als er mich der Vater dann sah, kam er direkt auf mich zu, umarmte mich stürmisch. Ich war total überrascht und dann zog er mich nach hinten in die Küche. Dort angekommen meinte er, dass es so schön sei mich zu sehen. Dann erzählte er mir, dass Timmothy vor ein paar Zehntagen aufgebrochen sei und bis jetzt nicht zurückgekehrt war.
Angst machte sich in mir breit und ich machte sofort den Vorschlag ihn suchen zu gehen. Dankbar nahm mich der Vater von Timmothy wieder in den Arm.
Auch wenn das Dorf mich um Hilfe bat den ganzen Geschichten auf den Grund zu gehen, war es doch meine Suche die mich mehr antrieb. Und kaum zwei Tage später war ich auch dem Weg. Zunächst in die Stadt. Sie war nur zwei Stunden von unserem Dorf entfernt…

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