Nachdem sie den Seetroll abgewehrt und das Boot des Derro für sich beansprucht hatten, lag die nächste Hürde vor der kleinen Meute. Ihr oberstes Ziel war nach wie vor, aus dem Unterreich zu entkommen – und wenn Möglich auf dem Weg an die Oberfläche gleich diesem missratenen Zauberer, der sie anscheinend hier her verschleppt hatte eins auf die Nase zu geben.
Die nächste Möglichkeit, an die Oberfläche zurückzukehren lag Jenseits der Stadt Gracklstugh und diese wiederum lag am anderen Ufer des berüchtigten Dunkelsees.
Bevor sie also noch überhaupt anfangen konnten zu überlegen, wie heil durch Gracklstugh kamen, wo der Derro bereits auf sie lauern würde, galt es erst einmal das wohl gefährlichste Gewässer in der ihnen bekannten Welt zu überwinden, und das mit nichts weiter als einem Ruderboot.
Doch endlich seit langer Zeit schien sich das Glück wieder auf ihre Seite geschlagen zu haben, nur wenige Stunden nachdem sie vom Ufer aufgebrochen waren, begegneten sie einem Frachtschiff – ein schwer angeschlagener Kahn, dessen Mannschaft vor kurzem erst dezimiert worden war.
Totes Pferd hatte vor, sich heimlich mit seinem Kletterhaken und einem Seil an das größere Boot dranzuhängen und sich davon tauen zu lassen, bis sie wieder flaches Wasser erreicht hatten. Aber nur wenige Augenblicke nachdem der Haken endlich am Heck des Frachters befestigt war, zeigte sich schon der Kapitän und „bat“ die Gruppe an Bord zu kommen.
Trotz Zögern und Misstrauen der beiden Krieger im Bunde, folgte der kleine Barde, der sich jetzt wohl als sowas wie der Anführer des bunten Haufens sah als erster an Bord, gefolgt von Totes Pferd und die beiden bekamen schnell erklärt, was Sache war. Der Frachter war schon seit mehreren Tagen unter ständiger Bedrängnis von Seepiraten, Merrows und andere aquatische Einwohner des Dunkelreichs die in kleinen Booten unterwegs waren und die Frachtschiffe auf der Jagd nach Gütern und Sklaven angriffen. Kurzum: Der Kapitän und seine Mannschaft brauchten fähige Männer und unsere Gruppe brauchte eine sichere Überfahrt nach Gratzlstugh also schlugen sie einen Handel ein.
Alles in allem war die Überfahrt ziemlich erfolgreich. Blm, Totes Pferd und Nashazar blieben an Deck des Frachters und hielten ihren Teil des Handels ein, die verbleibenden zwei Kameraden blieben versteckt auf dem Boot zurück – Nanay um ihre Verletzungen auszukurieren, die sie im Kampf mit dem Seetroll einstecken hatte müssen, Thoringal weil er klugerweise darauf verzichtete in voller Rüstung auf Seilen und Strickleitern herumzuklettern.
Die nächsten Stunden – oder waren es sogar Tage? es war so schwer im Unterreich Fern von Sonne und Sternen die Zeit einzuschätzen – verliefen für alle beteiligten ziemlich Erfolgreich. Nashazar und Totes Pferd taten ihr bestes um den Kahn wieder auf Vordermann zu bringen und freundeten sich mit der Crew an, Blm hatte Zeit die Flasche, die sie alle erst in diese Misere gebracht hatte weiter zu studieren und schaffte sogar daraus einen neuen Trick zu lernen: Einer der besiegten Piraten war nun sein untoter Gefolgsmann und stand dem Gnom nun persönlicher Packesel und wandelndes Schild bereit.
Und Totes Pferd hatte die Gelegenheit, seiner geliebten Umberlee wieder Blutopfer zu bringen, also war er auch glücklich.
Aber ihr Glück würde nicht lange anhalten, denn bald kamen sie in Gracklstugh an… und wurden dort bereits erwartet.
Die Menschen – und natürlich die nichtmenschlichen Bewohner – der Nation von Thay haben eines gemeinsam, jeder Einwohner des Landes hat seine Position in der Gesellschaft klar und deutlich am Leibe zu tragen, damit er sofort beim ersten Blick erfasst werden kann. Tätowierungen und Uniformen, die Rang und Stand kennzeichnen sind natürlich in anderen Nationen von Faerun nichts ungewöhnliches, aber die Thayaner pflegen noch einen eigenen Brauch, um die Unterschiede zwischen den Ständen deutlicher zu machen. Die herrschenden Magier tragen ihre Haare lang, oft kunstvoll geflochten oder sonst irgendwie luxuriös gepflegt. Einfache Bürger müssen ihr Haar auf eine gewisse Länge stutzen und werden hart bestraft, wenn sie es so lang wie ein offiziell anerkannter Magier wachsen lassen. Sklaven werden kahlgeschoren, in manchen Fällen wird ihnen sogar die Kopfhaut mit glühenden Eisen verbrannt, um ihre Haarwurzeln völlig zu töten.
Als Totes Pferd in Mitten von zahllosen Leichen und verwundeten im blutüberströmten Thronsaal des Hochkönigs steht, die gefallenen Magier von Thay zu seinen Füßen, kann er einfach nicht anders, er nimmt seine Machete und macht sich an die Ernte. Jeder, der diese Leichen wieder auffindet soll wissen, dass diese niederträchtigen Schwarzkünstler und Meuchler weniger wert waren, als ihre eigenen Sklaven. Ihre prächtigen Haarschöpfe hängen nun samt ihrer Skalps am Gürtel des rachsüchtigen wilden Elfen.
Das Attentat auf den König war fürs erste vereitelt, aber die Attentäter waren nicht ohne einen Rückfallplan bis in den Thronsaal vorgedrungen, als ihr Blut zwischen den Fliesen einsickerte, floss es nicht einfach harmlos ab, sondern diente als Treibstoff für einen Zauber, den die Schattenmagierin Nanay im letzten Moment als das Beschwörungsritual für einen Baphomet erkannte. Dank ihrer Warnung entkamen die Überlebenden des ersten Angriffes rechtzeitig aus dem Saal, bevor König Kendrick selbst zur Tat schritt und den Dämon auf die einzige Weise aufhielt, der das Monster garantiert töten konnte: Eine Schriftrolle, die den ganzen Flügel des Palastes unter einem höllischen magischem Sturm einriss und den Dämon unter den Trümmern begrub.
Es war sowohl dem Hochkönig als auch den Söldnern sehr wohl bewusst, dass die Verschwörung sich damit nicht geschlagen geben würde, die Thayaner würden weiter zuschlagen bis sie die Insel völlig in ihrem Besitz hatten und die Chancen auf einen erfolgreichen Gegenschlag standen schlecht.
Das Hauptquartier der Verschwörung saß in in einem Wald der Mitte von Caer Callidyr, unerreichbar per Schiff, nicht nur von der Wildnis geschützt und besetzt von zahlreichen weiteren thayanischen Zauberern, sondern auch von einer schwarzen Magie, die auf den Wäldern lastete, denn um die Festung der Thayaner wimmelte es vor wandelnden Toten.
Und nun erfuhren die Helden auch noch, dass die örtliche Magiergilde die Insel komplett verlassen hatten, womit sie nicht einmal auf ihre eigene mystische Unterstützung hoffen konnten.
Die Lage ist übel. Die Helden tun was sie können – Nanay untersucht die verlassene Bibliothek auf hilfreiche Informationen und Zauber, Blm rekrutiert tapfere Männer und Frauen von der Straße, um ihrer Heimat als Miliz zu dienen, Thoringal und Totes Pferd halten ihre Waffen instand und diskutieren Taktik – aber die einzige halbwegs realistische Hoffnung werden sie wohl im Druidenhain im südlichen Teil der Insel finden. Der Hochkönig erziehlt ihnen von einem alten Druiden, der dort nun schon seit Jahren mit seiner Macht die finstere Nekromantie der Thayaner davon abhält, den Rest der Wälder zu überfluten, vielleicht ist er ja in der Lage zu helfen.
Die Reise auf der Treuen Frenja verlief dieses Mal ereignislos, keine Piraten, keine Seeungeheuer, nicht einmal schlechtes Wetter, vielleicht ein Zeichen, dass es mit dem Glück unserer „Helden“ endlich bergauf ging (nur wenn man Totes Pferd danach fragen würde, würde er der Grund für die ruhige Reise sicher in seinem neugefundenen Glauben an Umberlee finden)
Bei der Ankunft auf Caer Callidyr hatte sich die Konstellation aus bewaffneten und gefährlichen Individuen, die zwar kollektiv nie einen Namen hatten, aber inzwischen scheinbar schon auf allen Mondseeinseln bekannt war schon wieder geändert. Der Spion aus den Reihen der Harper, der den anderen Passagieren als Anskaviat bekannt war, hatte sich still und heimlich davon gemacht, ohne einen Grund zu nennen und Grumpf hatte sich, wie es für ihn üblich war zurückgezogen, wohl um seine eigenen Nachforschungen über seinen verschwundenen Kameraden anzustellen.
Somit blieben Totes Pferd, Thoringal und zwei neue Gesichter; eine geheimnisvolle, in der Kunst der Illusion begabte Frau mit scheinbar elfischen Wurzeln und dem Namen Nanay, die scheinbar ihre eigene Agenda auf Caer Callidyr verfolgte und eine sogar noch rätselhaftere Figur in Gestalt eines impulsiven und vorlauten gnomischen Musikers namens Blm.
Noch seltsamer als die neuen Begleiter war jedoch der Empfang in der Inselhauptstadt, ein Beamter im Auftrag des Großkönigs, verkleidet als ein gewöhnlicher Kaufmann lauerte Passagieren und Mannschaft der Treuen Frenja praktisch auf und unterstellte ihnen, einfach so, am hellichten Tag auf einem geschäftigen Pier am Hafen ohne auch nur ein Mindestmaß an Diskretion ein Angebot: Großkönig Tristan höchstpersönlich brauchte Leute mit schwerer Bewaffnung und flexibler Moral, um eine Verschwörung zu zerschlagen die sein Reich und sein Volk bedrohten. Und mit ihren glorreichen Taten in Mintarn war die Gruppe, die auf der Treuen Frenja unterwegs war natürlich seine erste Wahl.
Und Seine Majestät schien mit offenen Karten zu spielen, zumindest unseren Helden gegenüber, denn der Bote gab sich Mühe alle relevanten Fragen zu beantworten. Eine Reihe von Gewaltakten versetzte die Hafenstadt nun schon seit geraumer Zeit in Angst und die Schuldigen, die sogennante Dunkle Bruderschaft schien eine abtrünnige Sekte von Thayanern zu sein, die sich von der Enklave der Roten Zauberer abgespalten und ein Bündnis mit einer Meute Orks geschlossen hatten. Als bei den Erläuterungen des Boten dann noch ein Name eines bestimmten Magiers fiel, war es für Totes Pferd schon entschieden, wenn der Großkönig vor hatte Carte Blanche über die hiesige Bande von dreckigen Thayanern auszusprechen, war das Grund genug für den Elfen sich der Sache anzunehmen. Er hatte sich die Skalps der Enklavenmitglieder auf Mintarn entgehen lassen müssen und hatte immer noch Lust seinen Frust über dieses Versäumnis an jemandem auszulassen der es verdiente und die übrigen Passagiere der Frenja, mit Ausnahme von Grumpf und Anskaviat schienen ihm in dieser Entscheidung zuzustimmen.
Bevor es aber zur Audienz mit dem König kam, brauchten sie wohl ein Nachtlager in der Stadt, was sich auch schnell gefunden hatte. Eins der örtlichen Wirtshäuser, das ihnen von Kapitän Friesel empfohlen worden war würde ihnen wohl nicht nur als Unterkunft dienen sondern bot auch abwechslungsreiche Unterhaltung für den Rest des Abends. Nanay und Blm fanden schnell Gefallen an den beliebten Glücks- und Geschicklickeitsspielen, die hier gespielt wurden – und natürlich auch an der Gesellschaft der einheimischen Augenfreuden – während Thoringal und Totes Pferd im Keller unter der Spielhölle ganz anderen Gelüsten nachgingen. Totes Pferd hatte sein kurzes, aber aufregendes Erlebnis als Zuschauer beim Faustkampfturnier in Mintarn noch gut in Erinnerung und hatte sich schon lange vorgenommen, bei der nächsten Gelegenheit selbst in den Ring zu steigen und diese Gelegenheit ergab sich nun.
Die interesannteste Gelegenheit für ihn ergab sich allerdings erst nach seinem kurzen Kampf. Der hiesige Meisterkämpfe war… nun, man konnte hier schwer um den heißen Brei herumreden, es war ein Troll, das Mosnter auf irgendeine magische Weise an den Kampfwerber und Veranstalter gebunden. Totes Pferd war bestimmt kein Feigling, aber als totaler Anfänger in den waffenlosen Künsten hatte er nicht so schnell vor, einen Kampf gegen einen solchen Gegner zu wagen… aber er war sich sicher, dass Grumpf damit kein Problem haben würde.
So kam man ins Reden und es wurde eine Abmachung geschlossen, der Meisterkämpfer von Mintarn gegen das Monster von Caer Callidyrr. Nun musste Grumpf nur noch davon erfahren, dass er zu einem Kampf gebucht war.
Für Sana wäre der Job eine goldene Gelegenheit gewesen, dabei war sie ganz zufällig darüber gestolpert.
Sie war auf der Suche nach Wissen gewesen, wie es ihrer neugierigen Natur entsprach, Schriften über die Grundlagen der arkanen Magie, technische Handbücher über den Bau von Schlössern, irgendetwas, womit sie, ihrer Meinung nach, ihren Intellekt ein wenig fördern und gleichzeitig einem nützlichen Zweck zuführen konnte. Nur leider hatte die etwas weltfremde junge Frau nicht wirklich begriffen, wie teuer es wirklich war, handgeschriebene Bücher zu erstehen, noch dazu auf Mintarn, so weit entfernt von einem echten Zentrum des Wissens und der Gelehrsamkeit, wie man auf den Mondseeinseln nur sein konnte. Das einzige, was wirklich in ihrer Preisklasse war, war ein Buch über Geschäftsführung und Rechenwesen, zu erstehen um einen kleinen Gefallen.
Der Buchhändler bot ihr Arbeit an, ein paar offene Stellen in einem geplanten Sklaventransport von Mintarn nach Calimhafen an – nicht für ihn persönlich natürlich, er war nur Mittelsmann im Geschäft. Sana sagte ohne zu zögern zu, bekam die Adresse des eigentlichen Auftraggebers und war schon auf zum Moradintempel, um ihre Verbündeten darüber zu informieren.
Anskaviat hatte derweil eine Unterhaltung mit dem Vorsteher der örtlichen Diebesgilde. Der Dieb hatte korrekt erkannt, dass sie Vorräte brauchen würden, wenn sie den kommenden Sturm heil überleben wollten und seiner Meinung nach war die beste Möglichkeit, an welche zu kommen bei einem örtlichen Apotheker einzubrechen. Sein Vorgesetzter hatte glücklicherweise etwas mehr Voraussicht, als Anskaviat und schaffte es, ihm den tollkühnen Plan auszureden. Er bot ihm sogar einige Heiltränke umsonst an, zur Unterstützung für Anskaviats Mission auf Mintarn. Es war nicht gerade die reiche Ausbeute, die in der Apotheke gemacht hätte, aber zumindest hatte er sie risikofrei bekommen.
Auch Tamrosekincaiwellyn, inzwischen besser bekannt unter dem Namen Totes Pferd hatte ebenfalls Arbeit gefunden, obwohl er garnicht danach gesucht hatte. Die zwei Druiden, der er im Einbeinigen Basilisken kennengelernt hatte, boten ihm an, seine inzwischen doch ziemlich üblen Verletzungen mit ihrer Magie zu versorgen, was er dankend annahm. Im Gegenzug dafür baten sie jedoch um einen Dienst. Nicht als Handwerker oder gar als Mietschwert, nein, er sollte die Stadtverwaltung überreden, den beiden mehr Grund in der Stadt zur Verfügung zu stellen, sodass sie die kläglichen kleinen Grünflächen zu einem richtigen Garten ausweiten konnten. Totes Pferd, der gerade selbst die heilende Wirkung der Druidenpflanzen erlebt hatte, versprach zu tun was er konnte.
Alle wieder beim Tempel versammelt versuchte Sana nun zu erklären, wohin sie sich da reingeritten hatte. Sobald das Wort Sklavenhandel fiel, spaltete sich die Gruppe ziemlich deutlich, Sana stand alleine gegen Thoringal, Anskaviat und vor allem Totes Pferd und Sandrose, die beide aus eigener Erfahrung wussten, was es hieß in die Sklaverei verkauft zu werden. Thoringal und Anskaviat sprachen sich dafür aus, den Auftraggeber hochzunehmen und den Sklavenhandel auf Mintarn auf diese Weise direkt zu unterbinden und diskutierten mit Sana über die Logistik eines solchen Unternehmens. Totes Pferd warf den Vorschlag in die Runde, sich als Söldner in die Operation einzuschleichen und so eine Möglichkeit zu finden, sie von innen heraus zu zerschlagen, was bei Grumpf den Anstoß zu einer gefährlichen Idee gab. Der Ork stürmte davon, was die meisten in der Gruppe glauben ließ, er wäre einfach mit der Moral der Situation nicht einverstanden, Sandrose lief ihm sogar sofort hinterher, um ihn noch zu beruhigen, doch in Wahrheit hatte der Ork gerade einen Plan gefasst.
Grumpf war ein simpler Mann, aber bei weitem kein dummer. Fragen der Moral kümmerten ihn wenig, seine oberste Priorität galt immer dem eigenen Überleben und mit der Liste von Namen und Adressen, die er und der Wildelf in Blinkers Versteck in der Kanalisation gefunden hatten, hatte er ein ziemlich eindeutiges Bild der Situation. Namen auf der Liste waren in schwarz für Verbündete oder rot für Ziele eingetragen und solange er auf der Liste der Ziele stand, würde diese Geschichte kein glückliches Ende für ihn nehmen. Also machte er sich mit Sandrose auf, diesen Herrn Steinbrück aufzusuchen und schlug mit ihm einen einfachen Handel ein: Grumpf würde ihm liefern, was er wollte – Hug Sturmbrecher der sich derzeit im Gewahrsam der Stadtwache befand, lebend – und dafür würde sein Name sowie ein weiterer, den Grumpf ihm später nennen würde von der roten Liste gestrichen und in die Sparte der Verbündeten übertragen werden. Grumpf unabhängig von den anderen zum selben Schluss gekommen, jemand sorgte dafür, dass die Namen auf der roten Liste einen „Fluchtweg“ nach Mintarn hatten, nur führte dieser Weg unvermeidlich auf einen calimshaner Sklavenmarkt.
Inzwischen hatten sich die andere vier Mitglieder der kleinen Gruppe, Thorignal, Totes Pferd, Anskaviat und Sana samt ihres Wolfes bei der Adresse eingefunden, die Sana während des Tages schon besucht hatte und einen Plan gefasst. Sie würden in das Haus des Händlers einbrechen, ihn mit Hilfe des lähmenden Giftes, dass sie den toten Assassinen vom Vortag abgenommen hatten entführen und ihn an einem sicheren Ort verhören, um alles über die Sklavenschlepper und ihre Operation zu erfahren und sie beenden. Anfangs lief noch alles ganz gut, Anskaviat und ausgerechnet Totes Pferd schafften es, die vier Wachen die um den äußeren Zaun des Anwesens patroullierten leise und effizient auszuschalten, nahmen sich jedoch nicht die Zeit, ihre Leichen zu entsorgen, was sie nur wenige Minuten später bitter bereuen würden. So kämpften sich bis zum Tor des Hauses vor, wo sie allerdings gegen festen Widerstand trafen. Ein Quartett von trainierten und gut ausgerüsteten Wachen, keine Stadtwachen sondern private Mietschwerter des Händlers, bewaffnet mit Hellebarden und Armbrüsten stellte sich ihnen in den Weg. Trotz eines harten Gefechts hielten die Wachen unnachgiebig die Stellung und unsere Helden mussten sich mit blutigen Nasen und eingezogenen Schwänzen zurückziehen. Mehr schlecht als recht schafften sie es vom Grundstück des Händlers zu fliehen, ihr heldenhaftes Unterfangen war nicht nur gehörig schiefgegangen, jetzt hatten sie sich auch noch einen weiteren mächtigen Feind auf Mintarn gemacht. Hätten die einfachen, moralisch fragwürdigeren Weg gewählt und einfach zusammen mit Sana den Auftrag angenommen, wäre das alles nicht passiert, aber sie hatten ihre Prinzipien und denen waren sie gefolgt.
Und Sandrose… arme, arme Sandrose. Sie hätte es wirklich kommen sehen sollen. Sie war dabei gestanden und hatte zugehört, wie Grumpf sich seinen Deal ausgehandelt hatte, ohne mit der Wimper zu zucken hatte er zugestimmt alles, wofür er und seine neuen Verbündeten in den letzten Nächten gekämpft hatten für seine eigene Sicherheit zu opfern. Er hatte sie einen Eid schwören lassen, dass sie niemanden davon erzählen würde, aber ihr Wort alleine hatte dem paranoiden Ork einfach nicht genügt. Am Rückweg zum Einbeinigen Basilisken hatte er spontan entschieden, ihr Schweigen auf genau die selbe Weise zu sichern, wie er alle seine Probleme zu lösen Pflegte. In einer engen Gasse, so schmal dass die beiden hintereinander gehen mussten, um überhaupt durchzupassen überfiel er die Halbriesin. Sie versuchte sich zu wehren, aber der Angriff passierte so schnell und sie hatte so wenig Platz, dass sie es nicht einmal schaffte ihr Schwert zu ziehen und so groß und stark sie auch war, mit den Fäusten alleine hatte sie keine Chance sich auch nur gegen Grumpf zu wehren. Grumpf setzte einen Würgegriff an, presste ihr das Leben aus dem Leib und ließ den leblosen Körper der Sandrose in einem Hinterhof zurück, halb vergraben unter einem Haufen Vorratsfässern und Kisten.
Drei Männer folgen entgegen jeder Vernunft ihren Prinzipien und versagen dabei kläglich. Ein Mann agiert aus reinem Eigennutz und eine Frau, die ihn für einen Freund gehalten hatte stirbt dafür.
Egal auf welcher Seite von Gut und Böse man sich selbst wiederfindet, oder ob man überhaupt an die Bedeutung von solchen Worten glaubt, es gibt absolut keinen Zweifel daran welche Philosophie in dieser Nacht gewonnen hatte.
Du hast ihn sicher schon irgendwo gesehen, wenn du in letzter Zeit in Baldurs Tor warst. Ein dunkelhaariger Elf, abartig groß und schlacksig mit Armen wie Ästen und mehr Tätowierungen auf seiner Haut als Kleidung. Wenn die spitzen Ohren nicht wären könnte man ihn fast für einen Nordländer halten… naja,einen rasierten Nordländer vielleicht.
Nein, ich hab nicht die leiseste Ahnung wo er herkommt. Er spricht nicht viel Gemeinsprache, glaube ich, eigentlich komisch für einen der so weit gereist ist wie er. Oh, das Ding, das er überall mit sich rumträgt? Das hat er bei mir anfertigen lassen, war richtig komisch. Ich hab zuerst versucht, eine ordentliche Waffe zu verkaufen, ein Langschwert oder zumindest einen Krummsäbel, aber nein er besteht drauf, gibt mir sogar Anweisungen wie ich das Ding schmieden soll. Mir! Lausiger Barbar. „Nicht mehr als zwölf Zoll lang, die Spitze eineinhalb Zoll breiter als der Rest der Klinge und nach vorne gebogen ausgerichtet, keine Parierstange, nur ein runder Griffschutz aus Holz.“ Nennt sich ‚Ma-che-te‘ das Ding, hab meinen Kumpel Nisus gefragt, der ist selber Mondelf und der hat das Wort noch nie in seinem Leben gehört… Appropos, willst du was richtig gruseliges hören? Wie Nisus sich mit ihm auf Elfisch unterhalten hat – genau, an dem Abend am Hafen wie ich beim Würfeln den ganzen Topf abgeräumt hab! – weißt du noch, wie sich bei Nisus die Nackenhaare aufgestellt haben, je länger er mit ihm gesprochen hat? Ich hab ihn nachher gefragt, was denn los war und stell dir vor, Nisus meint der Barbar spricht zwar Elfisch aber mit einem Drow-Akzent.
Nein, man spricht es ‚Droh‘ aus und nicht ‚Drau‘.
Also haben wir hier einen Elf, der aussieht wie ein nordischer Berserker, unter den Sternen schläft und rohes Fleisch isst wie ein Gnoll im Wald und spricht wie ein verfluchter Drow. Und aus irgendeinem Grund will er unbedingt nach Korrin, er fragt schon eine ganze Woche lang deswegen rum. Ich meine was soll man davon halten? Ich würd ihn ja gerne den Wachen melden, aber du hast ja sicher schon gehört, wie er kämpft, wenn er in die Ecke getrieben ist, der hat dem Dicken Rolf ein Ohr abgerissen, mit den Zähnen!
Seinen Namen? Naja, wir haben ihn einfach Totes Pferd genannt, weil sobald er angekommen ist ist der Gaul, auf dem er eingeritten ist einfach zusammengebrochen und verreckt, mitten auf der Hauptstraße. Schrecklicher Anblick, das arme Vieh hatte lauter Pfeilwunden. Ich glaube ihm gefällt der Name, seit er hier ist stellt er sich auch immer als Totes Pferd vor. Er hat ein oder zwei Mal versucht uns seinen echten Namen zu sagen, aber keiner außer Nisus hat ihn richtig aussprechen können, also haben wir’s gelassen, bevor er sauer wird. Warte, ich glaube er hat ihn sogar aufgeschrieben, für seine Rechnung bei mir…
Tamrosekincaiwellyn.
Kein Wunder, dass ihm Totes Pferd besser gefällt, was?
Zitate von Tamrosekincaiwellyn, AKA Totes Pferd
Über Gut und Böse:
„Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss um sich und die, die er liebt zu schützen. Aber manchmal tun Männer auch mehr, als sie müssen, grausame Dinge, unverantwortliche Dinge, einfach nur weil sie’s können. Grausamkeit ist ein Zeichen von Schwäche und Schwäche wird früher oder später immer bestraft.“
Über Rechtschaffenheit und Chaos:
„Regeln sind wie… Kleidung. Es ist gut, welche zu haben, aber ein Mann der immer die selbe trägt, egal zu welcher Jahreszeit, an welchem Ort und zu welchem Wetter wird früher oder später ins Schwitzen kommen. Oder erfrieren.“
Über die Götter:
„Ein Mann der nur auf seine Götter vertraut, zieht unbewaffnet in die Schlacht. Ein Mann der auf seine Muskeln, seine Erfahrung und auf den Stahl in seiner Hand vertrauen kann, der braucht keine Götter, die ihn schützen.“
Über Elfen:
„Die Menschen glauben, dass Alter gleichbedeutend mit Weisheit ist. Ich bin älter als ein Mensch je ohne Magie werden könnte und meine Weisheit habe ich selbst gefunden oder von anderen gestohlen, man hat sie mir nicht einfach geschenkt, nur weil ich alt bin.“
Über Menschen:
„Das beste, was die Menschen je geleistet haben? Die Hellebarde. Eine Waffe, die gleichermaßen als Axt oder als Spieß verwendet werden kann, das ist die klügste Erfindung, die ich je gesehen habe. Wenn wir Elfen die Hellebarde vor den Menschen erfunden hätten, würden wir an eurer Stelle über Faerun herrschen, da bin ich mir sicher.“
Eindrücke meiner ersten Seereise von Tamrosekincaiwellyn AKA Totes Pferd
Bin eindeutig nicht für die Seefahrt geschaffen, so viel Geschaukle und Gewackle. Habe mich die ersten Tage ständig übergeben. Keiner hat gelacht, der Genasi (ich habe erfahren, dass er Jenotus heißt) hat mir sogar gezeigt, wie ich richtig mit den Wogen mitatme um dem Schwindel entgegenzuwirken und der Kapitän hat mir etwas Rum gegeben. Die Atemübungen haben ein bisschen geholfen, der Rum aber mehr.
Fast die ganze Überfahrt lang Schlechtwetter. Hab den Kapitän gefragt, ob der Schiffspriester vor der Überfahrt noch allen Himmels- und Sturmgöttern angemessen geopfert hat, bevor wir losgefahren sind aber er ist der Frage ausgewichen. Ich habe dies richtigerweise als ein schlechtes Omen gedeutet.
Die Schiffsmannschaft erscheint mir ganz in Ordnung, aber dieser Expeditionsgesellschaft traue ich nicht ganz. Jenotus unterhält sich ständig mit ihrem Zauberer, ich sollte ihn wenn wir an Land sind bei Gelegenheit deswegen ausfragen.
Diese Madam Fley ist auch verdächtig. Was für ein hoher Beamter fordert im Fall seines Todes einen Nachfolger an, der erst um die halbe Welt reisen muss um das Amt überhaupt anzutreten? Jenotus sagt er traut ihr nicht, hält sie für eine Diebin. Ich glaube ihr ebenfalls nicht, denke aber da ist mehr im Gange.
Wir wurden angegriffen. Keine Piraten wie ich erwartet hatte, sondern Seekreaturen mit neun Fuß langen Fangarmen, wie der Kraken aus den alten Geschichten. Die beiden Zauberer nennen die Bestien Scyllae und behaupten, sie seien hier nicht beheimatet, sondern von einer andersweltlichen Macht beschworen worden.
Direkt vor dem Angriff hat der Barde (Halbling oder Gnom?) angefangen der Mannschaft eines seiner Zauberlieder vorzusingen und auch die ganze Zeit weitergesungen, während der Rest von uns gegen sie gekämpft hat. Ich wollte ihn nach dem Kampf der Sicherheit halber über Bord werfen, aber Jenotus und der oben genannte nutzlose Priester sind dazwischen gegangen. Ich werde es bei einer späteren Gelegenheit nachholen.
Nachdem wir die Kreaturen vertrieben haben, hat uns nichts mehr behelligt. Ich habe dem Stegmeister in Mintarn erzählt, unser Schiff stehe unter dem Schutz der Sturmgöttin. Menschen sind ein abergläubisches Volk, ganz besonders das kriminelle Gesindel unter ihnen, wenn er es weitererzählt wird uns bis zur Weiterreise nach Korinn hoffentlich niemand behelligen.
Ich habe beschlossen mich zusammen mit Jenotus nach einer Unterkunft umzusehen, weil wir beide genug von Hängematten haben. Mir macht die Hängematte nichts aus, aber ich bin einfach froh, wieder festen Erdboden unter meinen Füßen zu haben.
Auch wenn mir das Reisen zu Schiff unangenehm ist, das Kämpfen an Deck ist überraschend leicht. Man hat in jede Richtung klare Sicht und nicht zu viel Raum zwischen sich und potentiellen Gefahren zu decken, mit einem soliden Speer und einem festen Stand kann man sich auf einem Schiff sehr gut verteidigen. Und sollte doch ein Pirat oder Ungeheuer lebend an meinem Speer vorbeikommen, habe ich immer noch meine neue Machete.
Erste Eindrücke von Mintarn-Hafenvon Tamrosekincaiwellyn AKA Totes Pferd
Jenotus und ich sind auf Empfehlung von Kapitän Friesel im “Betrunkenen Piraten” eingekehrt, angeblich eines der besseren Gasthäuser. Das Gasthaus selbst war angenehm. Ich habe die Gelegenheit genutzt um das erste heiße Bad seit mindestens drei Wochen zu nehmen und mir wurde sogar eine Hure zur Verfügung gestellt, eine Mischlingshexe mit scheinbar sehr vielseitigen Talenten. Leider scheint ihr dafür das Gespür für Feingefühl und Heimlichkeit zu fehlen, als draußen im Tavernenraum ein Kampf ausgebrochen ist habe ich versucht, mich durchs Getümmel zu schleichen und einen feindseligen Zauberer- Magier von Thay, Abschaum unter Abschaum! – still und heimlich abzumurksen und besagte Mischlingsfrau kam scheinbar auf den Gedanken ich würde mich noch unauffälliger bewegen können, wenn ich einen Meter größer wäre. Idiotisch, aber was kann man schon von einem Halbmensch erwarten, noch dazu von einer Frau.
Die Mannschaft der Frenja ist nach wie vor so nutzlos, wie ich sie beim Kampf gegen die Scyllae schon eingeschätzt habe, der Schiffspriester hat sich hinterm Tresen in seinen Flaschen verkrochen, der Kapitän und der Erste Maat wurden schnell überwältigt, der Magier, mit dem sich Jenotus angefreundet hat hat mit seinem Zauber mehr Schaden angerichtet als geholfen und der Halbling-Sänger hat während des ganzen Gefechts einfach in der Ecke seine Laute gespielt, sogar als einer der Kalim-Männer versucht hat seine Gefährtin als Geisel zu nehmen.
Wenn ich Jenotus nicht kennengelernt hätte, würde ich vermuten es ist die Magie, die ihnen allen das Hirn weich macht, nicht ihre menschlichen Gene.
Auf engem Raum, mit improvisierten Waffen und Gegnern in allen Richtungen kämpfte es sich nicht annähernd so gut wie auf dem Schiff und der Vergrößerungszauber hat dem Gefühl auch nicht geholfen. Ich bin mir vorgekommen wie ein großer dummer Oger der einfach planlos um sich schlägt. Die anderen Überlebenden sagten mir nachher, ich hätte im Kampfrausch jemandem mit einem Stuhl erschlagen. Eine peinliche Geschichte, zwischen dem Kampf heute und der Sache mit dem toten Pferd in Baldurs Tor scheine ich immer mehr zu einer Figur aus einem menschlichen Kneipenlied zu werden.
Aber der Tag hatte auch seine guten Seiten. Es gibt zwei Rote Magier von Thay weniger auf dieser Welt, was immer ein Grund zu feiern ist und ich habe mehrere Dokumente gefunden, die mir den Weg zu einem ganzen Nest dieser widerwärtigen Brut weisen könnte.
Wie ich vor einigen Tagen auf ein Schiff nach Korrin gestiegen bin, hatte ich nur vor meine ehemaligen Brüder wieder zu finden und einen von ihnen seiner gerechten Strafe zuzuführen, aber jetzt stellt sich heraus, dass es hier eine ganze Enklave voller Leute gibt, die den Tod genauso sehr verdient haben. Wäre ich ein abergläubischer Mann, würde ich die heutige Begegnung für ein Zeichen der Götter halten.
Die Tavernenhure ist nach dem Kampf noch einmal zu mir gekommen und hat mit einem Zauberspruch einige meiner Wunden geschlossen. Ich habe ihr angeboten, sie bei der nächsten Gelegenheit auch zu versorgen. Sie sagt sie freut sich darauf.
Über Mintarn – Eindrücke und Erkenntnisse von Tamrosekincaiwellyn AKA Totes Pferd
Es überrascht mich manchmal selbst, wie schnell Instinkte die Oberhand nehmen können.
Ich sollte Mintarn hassen. Ich hasse die Leute; Gesindel in allen Formen und Größen, vom Straßenschwindler bis zum Sklavenhändler. Ich hasse den Gestank im Hafen und die allgegenwärtige feuchte Hitze in der Luft, die kein Wind zu vertreiben zu können scheint. Ich hasse die allgemeine Bereitschaft zum Blutvergießen und ich hasse wie ansteckend sie ist. Jemand kommt zur Tür herein und mein erster Reflex ist zur Waffe zu greifen. Meine neuen Kameraden und ich stellen einen unfähigen kleinen Wurm, wie er sich davon schleichen will und mein Instinkt rät mir ihn zu töten, weil er mein Gesicht gesehen hat. Ich finde einen unschuldigen Gaffer, der zur falschen Zeit am falschen Ort war und jede Faser meines Körpers schreit gleich danach, ihm die Speerspitze durchs Genick zu treiben. Es widert mich an, wie leicht mich die Wut wieder übernimmt, nachdem ich ihr so lange widerstanden habe.
Ich fühle mich auf dieser verfluchten Insel so lebendig wie schon seit fünfzig Jahren nicht mehr.
Es erinnert mich an Thay oder an die Außenbezirke von Zentil, wo ich mit beiden Augen offen schlafen musste, wo ein unachtsamer Augenblick gereicht hätte, um mich ans falsche Ende einer Klinge zu liefern. Ein Ort wo Grausamkeit und Gier gleichbedeutend mit purer Selbsterhaltung sind. Nur bin ich diesmal nicht als Opfer hier, sondern aus freien Stücken und mit einem Ziel vor Augen.
Jeder weiß, dass Menschen dumm sind, aber ein besonders dummes Exemplar hat mich einmal gefragt, „Wie kommt es. dass ein Elfenkrieger, der fünfhundert Jahre lang trainiert um die Kunst des Schwertkampfs zu meistern von einem Zwerg oder Mensch oder Ork besiegt werden kann, der erst seit zehn Jahren übt?“ Ich hab ihm die Nase gebrochen, weil er mir auf die Nerven gegangen ist, aber er hatte nicht Unrecht. Tatsache ist, ein Elf vergisst in seinem Leben mindestens genauso viel wie er lernt. Ich war nicht immer ein… was immer ich jetzt bin. Krieger? Das hört sich falsch an. Ich führe keine Kriege, dafür mangelt es mir an echten Feinden. Das ist keine Arroganz, das ist Tatsache. Aber der Punkt ist, diese Wut, die mich antreibt, die wurde erst vor wenigen Jahrzehnten in mir geweckt und obwohl ich weiß, dass ich ohne sie Thay niemals lebend verlassen hätte, war sie mir seitdem mehr Fluch als Segen. Bis jetzt.
Was immer ich vorher war, hier kann ich es getrost vergessen. Hier kann ich versuchen aufzuhören, der zu sein der ich war und der sein, der ich will. Vielleicht vergesse ich hier irgendwann einmal den Namen Tamrosekincaiwellyn und nenne mich tatsächlich nur mehr Totes Pferd. Hier kann ich mich meiner Wut hingeben, denn dieser Ort und diese Leute verdienen meinen Wut. Hier könnte ich hundert Jahre Krieg führen, ohne jemals Gefahr zu laufen jemanden zu töten, der es nicht verdient hätte.
Ein trauriger Gedanke, aber auch ein beflügelnder.
Über Glückspiel- von Tamrosekincaiwellyn, AKA Totes Pferd
Wie ich erwartet hatte, gibt es auch hier in Mintarn waffenlose Wettkämpfe. Und wie ich ebenfalls erwartet hatte, wird hier genauso wetteifrig betrogen, wie gekämpft wird. Hätte ich die Zeit, würde ich die Leute hier besser kennen lernen, vielleicht ein paar Mal in den Ring steigen – professionelle Schwalben, wie es sie in der Arena von Zentil gibt verdienen hier sicher auch nicht schlecht – ich würde lernen, wie das Spiel hier gespielt wird, nicht der Faustkampf, sondern dass Spiel der Buchmacher und der Wettmeister. Die Kämpfer und Zuschauer in dieser Arena sind ein wahrer Querschnitt von Mintarn, vom Handelsbaron zum Türsteher. Und sie scheinen recht offen mit Informationen zu sein, zwei verschiedene Quellen – eine vertrauenswürdig, die andere weniger – haben mir eine Liste von Namen und Gesichtern geliefert, denen ich in den nächsten Nächten einen Besuch abstatten will.
Ich habe dem anderen Mischling, Strave, die Liste vorgelegt, aber er scheint im Moment zu voreingenommen mit diesem mystischen Unsinn zu sein, in den ihn Jenotus und Alina hereingezogen haben. Jemand hat dem kleinen Jungen einen Schrecken eingejagt und jetzt will er von der Insel flüchten, weil er den Zorn von irgendeinem Nekromanten fürchtet. Als ob man vor Leuten, die sich an die Toten wenden um Hilfe wenden Angst haben müsste. Es ist wie bei den Karten oder in der Arena, manchmal reicht allein ein starker Bluff, um die Runde zu entscheiden. Leute, die noch nicht viel vom Tod gesehen haben, fürchten sich vor Leichen, also kommen ihnen Magier, die Leichen befehligen gefährlicher vor, als sie tatsächlich sind.
Ich stelle fest, dass man in Mintarn doch Freundschaften schließen kann, allerdings nicht immer dort, wo man sie erwartet. Grumpf – seit der heutigen Nacht „Champion“ Grumpf – scheint ein sehr anständiger Kerl zu sein. Vielleicht kann ich ihn überreden, ein paar Namen von meiner Liste zu kreuzen, früher oder später wird ein ehrlicher Wettkämpfer wie er so oder so Ärger mit den gewichtigen Namen im Geschäft bekommen und ich glaube Grumpf ist schlauer, als er vorgibt zu sein, er wird sicher den Sinn in einem Präventivschlag sehen. Ich wünschte nur, er wäre nicht ganz so umgänglich mit den Drow.
Wo ich grade bei den Drow bin, es wird langsam Zeit, dass ich mir neue Kleidung kaufe, etwas, womit ich meine Tätowierungen leichter verbergen kann. Und einen Hut, unter dem die Ohren nicht so leicht zu erkennen sind.
Über „Härte“ – von Tamrosekincaiwellyn AKA Totes Pferd
Viele praktizierende der Kriegskunst, besonders die jungen, wie meine derzeitigen Begleiter pflegen eine Gewohnheit, die ihnen oft schneller zum Verhängnis wird kann als Klingen oder Zauber; das Ideal der „Härte“, der Gedanke dass ein wahrer Krieger keine Ruhe braucht und dass Erholungspausen etwas für Schwächlinge sind. Ein aufmerksamer Leser dieses Werkes wird gemerkt haben, dass ich andauernd von Kämpfen schreibe, Kämpfe zu Schiff, Kämpfe in Tavernen, Kämpfe mit Magiern und Mördern und grauslichem Getier, Kämpfe mit Waffen oder bloßen Händen. Der Grund dafür ist einfach, dass ich seit ich in Mintarn angekommen andauernd kämpfe, ohne Pause und ohne Gelegenheit, mich zu erholen und heute haben mich endlich die Folgen dieser rücksichtslosen Narretei eingeholt.
Drei verschiedene Kämpfe haben wir heute bestritten, alle drei gegen heimtückische Meuchelmörder, die Hinterhalte, Gifte und den Kampf aus der Ferne bevorzugten. Keiner dieser Assassinen hätte unter normalen Umständen eine Bedrohung für uns sein sollen. Grumpf ist ein Biest mit Bärenkräften, der wahrscheinlich bereits mehr über waffenlose Kampftechniken und Training vergessen hat, als ich während seiner ganzen Lebenszeit gelernt habe, Anskariat hätte während meiner Zeit in Zentil locker mit Voldurs Jungs mitreiten können, ebenso die Späherin von der Arkanen Bruderschaft, der junge Zwerg ist ein zuverlässigerer Schildwall als ein zwei Mal so großer Mann und die Riesin ist… nunja, eine Riesin. Und trotzdem haben uns eine Hand Voll verlauster Söldner mit Unterstützung eines Magiers beinahe in die Knie gezwungen, wir alle haben immer wieder das selbe gedacht: Ein einziger Kampf noch. Ein letztes Mal, dann ist Ruhe. Vielleicht ist es einfach Stolz, der Männer wie uns zu so etwas treibt, vielleicht wollen wir vor unseren Waffenbrüdern einfach keine Schwäche eingestehen, ihnen zeigen, dass sie sich auf uns verlassen können und dass wir nie aufgeben oder zögern werden. Das wird hart genug sind, alles einzustecken, egal wie schnell die Schläge kommen.
Es ist töricht. Nur weil man die Zähne zusammenbeißen kann, heißt das nicht, dass es eine gute Idee ist. Unsere Körper sind trainiert, um andere Körper in ihre Einzelteile zu zerlegen, aber solche Leistungen fordern Kraft und niemand von uns hat unendlich Kraft.
Während ich diese Worte schreibe, haben wir beschlossen im Tempel des Moradin Schutz zu suchen, damit wir uns erholen und unsere nächsten Zug planen können. Selbst wilde Tiere müssen sich Zeit nehmen ihre Wunden zu lecken.
Dreizehn Assassinen und ein Diener des Barandan Zhan sind am Ende des heutigen Tages tot. Ich hoffe das bereitet dem elendigen Zauberer eine schlaflose Nacht, während wir uns unsere erste richtige Pause gönnen.
Zurück aus dem Unterreich von Tamrosekinkaiwellyn AKA Totes Pferd
Freier Himmel. Der Wind in meinem Haar. Das Fell eines gelegeten Feindes auf meinen Schultern und auf meinem Rücken hält mich warm.
Ich hab keine Ahnung wo ich bin, aber ich hab mich schon lange nicht mehr so lebendig gefühlt.
Auf ans Werk.
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