Lylian

LylianLylian

Die Wurzeln bleiben verborgen.. daran wird sich so bald nichts ändern, das weiß er.
Die Wurzeln… sie bleiben verborgen.

Sein ihm bekanntes Leben begann erst in den Tiefen des Waldes. In der Obhut der Natur und der Menschenfrau, die ihn fand, als er noch nicht viel mehr als ein Säugling war.
Woher er kam, zu wem das junge Geschöpf gehörte, das sie inmitten einer Lichtung am Rande des riesigen Waldes entdeckte, nie fand sie es heraus. Nicht, dass sie lange und intensiv genug danach gesucht hätte. Nein, ihre Prioritäten waren immer andere. Sie nahm das Leben hin, wie es war.
Da sie selbst ein Leben unter ihrem Herzen trug, nahm sie das Elfensäugling auf und beschloss, es groß zu ziehen, in den Tiefen des Waldes. Sie war sich sicher, dass sowohl sie als Druidin wie auch die beiden zarten Leben genug Schutz und Sicherheit haben würden hier.. in der Wildnis. Einige Schicksalsschläge hatten in den letzten Jahren die junge Frau völlig der Gesellschaft anderer Rassen entrissen, und sie führte ein Leben in der Natur, welche sie schützte und ehrte. Dafür bekam sie von ihr treu und fürsorglich alles das, was sie und ihre beiden Söhne brauchen.
Sie gab dem Elfenkind den einzigen Elfennamen, den sie kannte:

Lylian

Eines der wenigen Namen, die sie mit etwas positivem verband.
Lylian wuchs gemeinsam mit ihrem Sohn Leovin auf. Sie erzog beide Jungen mit Liebe aber auch Strenge, lehrte sie schon von Kindesalter an, die Natur zu ehren und zu schützen und in ihr zu überleben. Sie lernten von ihr zu leben, zu wissen, zu kennen, zu die wunderbarsten aber auch schrecklichsten Dinge. Die Wildnis kann wundervoll sein, aber auch unbarmherzig. Sie kennt weder Gut noch Böse, sie kennt nur den steten Wandel, den Kampf ums Überleben und den schlichten Sieg des Stärkeren. Tod und Leben so dicht beieinander, dass die Kinder beides sehr früh kannten und respektierten und annahmen. So lernten sie auch früh, Leben zu nehmen.. nur wenn es unumgänglich ist, wenn es notwendig ist. Sei es um ein leidendes Tier zu erlösen, um nicht zu verhungern, oder um das Gleichgewicht zu halten.. und später.. um die Wildnis zu schützen, vor gefahrvollen Eindringlingen, vor bösen Kreaturen.
Lylian wuchs so in der Geborgenheit, der Abgeschiedenheit auf, und die Zivilisation und andere Rassen und Kulturen waren nur Geschichten, Erzählungen aus dem Mund seiner Ziehmutter und ihrer Erzählungen, denen er voller Faszination lauschte.

Die Jahre zogen ins Land und für die kleine Familie machte sich immer mehr bemerkbar, dass Lylian zu den langlebigen Rassen gehörte. Während sein Bruder bereits zu den Halbwüchsigen zählte, war Lylian noch immer im jungen Kindesalter. Während sein Bruder zu einem Mann heranreifte, war er noch immer ein Halbwüchsiger, der zuweilen noch immer recht verspielt war und sich scheinbar sehr viel Zeit nahm, erwachsen zu werden. Es brauchte lange bis sein Bruder dies so gut an- und hinnahm, wie es ihre nun langsam alternde Mutter tat.

Er war noch ein halbes Kind, als sie ihm die Fähigkeit vermittelte, nicht nur mit Tieren umzugehen, sie zu verstehen, sondern auch seinen Körper so zu beeinflussen, dass er sich in eines der Geschöpfe verwandeln konnte. Zunächst war es ein Wolf. Was für ein unspektakulärer kleiner Wolf er war! Aber er war soo stolz, als ihm diese schwere Aufgabe endlich gelungen war! Sogar den ersten Schmerz hatte er kurz darauf vergessen und übte Tag und Nacht, um diese neue Kraft besser zu beherrschen, tobte so lange er konnte in Tiergestalt umher, genoss, die vielen neuen Eindrücke, die völlig andere viel intensivere Wahrnehmung eines Tieres, bis die Kraft ihn wieder in seine eigene Gestalt zurückzwang.
Und sein Stolz war unermesslich groß, als er ihr das erste Mal einen selbst gejagten Hasen vor die Füße legen konnte! Es war zwar recht.. nun.. mitgenommen und schon ziemlich angenagt, aber es war eine selbst erlegte Beute!! Welch herrliche Zeit.

Inzwischen war Lylian zu einem jungen Elfen herangereift. Noch nicht völlig ausgewachsen, war er ein ein halb Köpfe kleiner und um ein vielfaches zierlicher als sein stämmiger Bruder. Das was sein Bruder an Kraft und Widerstand herbrachte, machte er mit seiner Agilität, seinem Geschick wett. Sein dunkles dichtes schönes Haar hatte die Mutter nie anrühren können, und so wuchs es wild und ungebändigt bis zu seinen Hüften hinab und verlieh dem Halbwüchsigen umso mehr etwas wildes. Die grünen Augen hingegen, stachen in dem hübschen zarten Gesicht, welches von der dunklen Mähne umrahmt war, hervor und verliehen ihm etwas Katzenhaftes. Unzählige kleine Narben und eine größere Narbe von einem tiefen Biss am Oberschenkel offenbarten sein nicht gerade behütetes Leben in der Wildnis.
Jahreszeiten und Jahrzehnte zogen an ihnen vorbei. Und schließlich ließ ihre Mutter sie beide allein zurück. Ihr Tod war wie ihr Leben hier draußen… still und unspektakulär. Sie gaben sie in dieser Schlichtheit der Natur zurück. Ihre Trauer währte noch lange tief in ihnen, auch wenn sie nun all das was ihre Mutter sie ihnen gelehrt hatte, auf ihre eigenen Schultern nahmen, ohne auch nur zu zögern. Sie schützten gemeinsam die Wildnis, sorgten für das Gleichgewicht, nutzen die Magie, die sie beherrschten, und bauten diese durch gemeinsame Übungen und Studien weiter aus.
Doch die Mutter hatte in ihren letzten Tagen mit Leovin geredet. Sie hatte ihm eine Aufgabe gegeben. Und als die Zeit einige Jahre später gekommen war, war Lylian mit seinen knapp 80 Jahren noch immer nicht völlig herangereift, während sein Bruder nun ein alter Greis war. Zu der Zeit, trat sein Bruder an Lylian heran und sprach mit ihm. Sprach eindringlich und ohne auch nur eine Sekunde nachzugeben, denn Lylian sträubte sich, den letzten Willen seiner Mutter umzusetzen. Warum sollte er fort?? Hier war seine Welt, seine Heimat, hier wollte er leben! Zumal sein Bruder selbst nun immer älter wurde und seine Hilfe sicher bräuchte. Doch die Mutter hatte entschieden. Er sollte in die weite Welt, entdecken, lernen, erfahren.. und vor allem, herausfinden, wer er ist, zu wem er gehört.
Es verging fast der gesamte Winter, bis sein Bruder ihn soweit hatte, dass er nun schließlich im Frühjahr sich aufmachte. Er würde zurückkommen. Das versprach er ihm. Er würde zurückkommen, sobald er wusste, was geschehen war, wer ihn dort zurückgelassen hatte und wer er war. Und dann würde er wieder seinen Platz dort einnehmen, wo er hingehörte.
Die Trennung fiel ihm schwer, aber er war auch voller Aufregung, das musste er eingestehen. Es war ein trauriges Bild, diesen Greisen zu sehen, mit dem er sein ganzes Leben verbracht hatte. Als die Gestalt hinter den ersten Bäumen verschwandt, legte Lylian seinen ganzen Willen zusammen, um nur noch nach vorn zu sehen. Nur nach vorn! In die Ferne!
Der Weg durch den Wald war noch vertraut, doch dann, als er an der Waldgrenze war, blieb er stehen, sah zurück.. sah nach vorn in die Weite und.. es brauchte, bis er den ersten Schritt hinaus tun konnte. Danach fiel es ihm mit jedem Schritt etwas einfacher. Denn er war auch voller Neugierde und Aufregung. Ein weiteres Abenteuer. Und was für eines!!
Er wusste von seiner Mutter, in welche Himmelsrichtung er musste, um die ersten Siedlungen zu erreichen. Und als er sich überwunden hatte, diese auch zu betreten, begegneten ihm viele befremdliche Dinge die er nicht kannte und nicht verstand. Doch er verhielt sich so dezent, dass er kaum auffiel. So konnte er vieles studieren und daraus Rückschlüsse ziehen. Die ersten Tage waren sehr turbulent und nicht ganz einfach. Doch bemühte er sich, sich anzupassen und lernte… lernte lernte alles was er sah. Wie ein trockener Schwamm sog er alles auf!

In dem zweiten Dorf traf er schließlich auf eine Handelskaravane, die bereit war ihn mitzunehmen, wenn er hier und da mit anpacken würde. Die simple Frage, ob sie in eine größere Stadt fahren würden, bejahte man. Also war er dabei, kümmerte sich um die Tiere und packte überall mit an, wo er gebraucht wurde.
Dass ihr Ziel gerade die riesige Stadt Baldurs Gate sein würde.. das ahnte er damals noch nicht. Zumindest nicht in was für ein Ungetüm in feierlicher Stimmung er geraten würde.
Willkommen in der aufregenden abtrünnigen Zivilisation mit seinen hunderten Gesichtern kleiner Elf.
Möge sie dir schlussendlich offenbaren, woher die Wurzeln deines Lebensbaumes kommen.

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